Vor den Kommunalwahlen am 26. Mai stellen wir jede Woche beispielhaft eine Kandidatin oder einen Kandidaten unserer 400 grünen und grün-alternativen Listen vor. Heute einer unserer ältesten, Berndt Rüdiger Paul aus Tübingen.
Die Altstadt und die schöne Landschaft der Alb und des Neckartals schätzt Berndt Rüdiger Paul an seiner Stadt, vor allem aber eins: die Offenheit und die tolle Mischung der Stadtgesellschaft. In Tübingen leben Alt und Jung, Menschen aus vielen Kulturen und mit unterschiedlichen Nationalitäten zusammen. Dieses Zusammenleben zu gestalten ist, was den Bildungs- und Berufsberater Berndt auch mit 75 Jahren noch in seinem ehrenamtlichen Engagement antreibt. Ob im Gemeinderat, im Aufsichtsrat des von ihm mitgegründeten genossenschaftlichen Lebensmittelladens „Löwen-Laden“ oder bei einer Initiative für Mehrgenerationen-Wohnen.
1998 kam Berndt zu den Grünen, um Politik zu unterstützen, die langfristig denkt und unsere Lebensgrundlagen erhalten will. Vor zwei Jahren ist er in den Tübinger Gemeinderat nachgerückt und kandidiert auf Platz 20 erneut für die alternative und grüne Liste (AL/Grüne). Im Gemeinderat setzt er sich ein für bezahlbaren guten Wohnraum, sparsamen Flächenverbrauch sowie mehr Ökostrom und Ökowärme von Tübinger Dächern. Wir haben mit ihm über eine Frage gesprochen, die derzeit sehr vielen Menschen unter den Nägeln brennt: Wie wohnen – und wie bezahlbaren und passenden Wohnraum finden und schaffen?
Lieber Berndt, eine bezahlbare Wohnung zu finden ist gerade in beliebten Städten wie Tübingen gar nicht so einfach. Wie wollen die Grünen im Tübinger Gemeinderat das ändern?
Eine bezahlbare Wohnung in Tübingen zu finden, ist wirklich sehr schwierig. Wir Grüne wollen dies durch einen Mix an Möglichkeiten ändern: Zum einen haben wir ein Wohnbauprogramm „Fairer Wohnen“ aufgelegt, durch das in den nächsten Jahren ungefähr 50 Prozent aller neu gebauten Wohnungen geförderte Wohnungen sein werden. Zum anderen wollen wir alle Möglichkeiten für den Wohnungsbau nutzen, ohne in den nächsten Jahren auf der grünen Wiese bauen zu müssen. Dazu gehören Schritte wie der Ausbau von Dachgeschossen, die Aufstockung von Häusern, An- und Umbau im Bestand sowie die Möglichkeit, zweite oder gar dritte Häuser auf schon genutzten großen Wohnbaugrundstücken zu errichten. Nicht zuletzt wollen wir alle rechtsstaatlichen Möglichkeiten nutzen, um bei den Eigentümer*innen von bereits erschlossenen Grundstücken darauf hinzuwirken, dass sie dort bauen. Oder, wenn sie nicht wollen, ihnen ein Angebot zum Ankauf durch die Stadt zu machen. Wir folgen dabei dem Grundgesetz mit seinem Anspruch „Eigentum verpflichtet“.
In der Wohnraum-Debatte wird manchmal versucht, soziale gegen ökologische Belange gegeneinander auszuspielen. Wie lässt sich beides vereinbaren?
Ich bin davon überzeugt, dass es nichts bringt, in der Wohnraumdebatte soziale gegen ökologische Belange gegeneinander auszuspielen. Genauso falsch ist, ökonomische Aspekte als Argument gegen qualitätsvollen Wohnungsbau einzusetzen. Es ist vielmehr so, dass die Werthaltigkeit einer Wohnung für Mieter*innen und Vermieter*innen durch ihre ökologische Qualität bestimmt wird: niedriger Energieverbrauch, Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr, gute Fahrrad-Unterstellmöglichkeiten, Nutzung von Solardächern. Im Übrigen ist schon häufig bewiesen worden, dass „Grips das Geld schlägt“, also dass intensive Überlegungen zu einem Wohnungsbau mit Qualität und preiswerten Kosten führen können. Gerade in Tübingen gibt es eine Reihe solcher Beispiele – Nestbau, Familienheim oder das Miethäuser-Syndicat.
Du selbst setzt dich gerade für die Schaffung eines Mehrgenerationen-Wohnprojektes in Tübingen ein. Welche Chancen bieten alternative Wohnformen für das Zusammenleben in einem Ort oder Stadtviertel?
Andere und ich setzen sich für Mehrgenerationen-Wohnprojekte in Tübingen ein. Die Chancen liegen zum einen darin, dass eine altersgemischte Gruppe sich gegenseitig besser unterstützen kann als altersgleiche Menschen es können. Oma und Opa betreuen die Kinder, die Jüngeren stellen den neuen Schrank auf oder holen den Kasten Wasser. Zum anderen werden insgesamt geringere Wohnflächen pro Person benötigt. Schließlich sind dort ein wesentlicher Teil gemeinsam genutzte Flächen: Wasch- und Trockenkeller, eine große gemeinsame Küche oder ein Tagesraum, Spiel-, Musik- und Leseräume. Und eine solche funktionierende Gemeinschaft wirkt belebend und gestaltend auf den Ort oder das Stadtviertel. Damit trägt sie zur Lebendigkeit in der Wohngegend bei.
Erfahren Sie mehr über die Kandidat*innen der AL/Grüne und ihr Kommunalwahlprogramm für Tübingen