Digitalisierung und Vernetzung sind die Schlagworte der Industrie 4.0. Im Handwerk hat der Wandel längst begonnen: Software-Lösungen steuern betriebliche Abläufe und 3D-Drucker stellen Ersatzteile für Maschinen und Werkstoffe her. Der Landtagsabgeordnete und Bio-Bäcker Martin Grath beleuchtet in einem Gastbeitrag Chancen und Risiken der digitalen Arbeitswelt im Handwerk.
Von Martin Grath für Grüne Blätter 3/2018: Ode an die Arbeit.
Als gelernter Bäckermeister, also „Lebensmittel-Handwerker“, frage ich mich natürlich: Wie könnte die Backstube im Jahr 2030 aussehen? Digitale Helfer werden eine größere Rolle spielen. Rohstoffe und Zutaten werden automatisch abgewogen. Öfen beschicken und reinigen sich selbstständig. Das führt meiner Meinung nach nicht zu einer Back-Industrialisierung. Im Gegenteil: Die Bäckerinnen und Bäcker werden von Nebenaufgaben befreit und haben mehr Zeit für das Eigentliche: ihre Backkunst.
Die Handwerkskunst profitiert von gutem Werkzeug. Genau da steckt viel Potenzial drin: Der 3D-Druck liefert Gussformen im Metallhandwerk, Zahnprothetik im Gesundheitshandwerk oder Pralinenformen in Konditoreien. 3D-Scanner helfen der Sattlerin oder dem Schneider bei der Maßarbeit. Mobile Apps sind in der Baubranche unverzichtbare Werkzeuge für Aufmaß und Beratung beim Kunden.
Digitale Systeme können auch bei der Vorausplanung von Terminen helfen, bei denen sich Nachfrage und Kaufverhalten der Kunden verändern: Bei gutem Wetter wird zum Beispiel mehr eingekauft. Auch die Zutaten im Lager lassen sich digital erfassen. Geht der Bestand zur Neige, wird beim Lieferanten ohne Zutun des Bäckers automatisch eine neue Lieferung in Auftrag gegeben. Und: Die Nachfrage nach individuellen Lösungen ist hoch. So werden Dienstleistungen präziser, kundenorientierter und flexibler.
Die Frage nach Chance oder Risiko lässt sich nicht pauschal beantworten. Aber: Angst ist kein guter Ratgeber. Und ein „Ende der Arbeit“ ist nicht in Sicht. Deshalb ist es entscheidend, dass wir Visionen entwickeln und die richtigen Rahmenbedingungen schaffen. Wir müssen zum Beispiel dafür sorgen, dass wir flächendeckend Zugang zu digitalen Infrastrukturen ermöglichen. Im Fokus steht auch die Aus- und Weiterbildung. Denn klar ist: Dieser Wandel verändert die Bedarfe an Qualifikationen und Kompetenzen. Der Anteil komplexer Aufgabenfelder steigt.
Die grün-schwarze Landesregierung möchte mit dem Projekt „Dialog und Perspektive Handwerk 2025“ des Wirtschaftsministeriums und des Baden-Württembergischen Handwerkstags die Zukunft des Handwerks im Südwesten sichern. Im Fokus stehen dabei Programme, die das Handwerk dabei unterstützen, Fachkräfte an sich zu binden, den Betrieb strategisch auszurichten und die Chancen der Digitalisierung zu nutzen. Für ein gemeinsam entwickeltes Maßnahmenpaket stellt das Land 4,4 Millionen Euro bis Ende 2019 zur Verfügung.
Ein Beitrag aus unserer Mitgliederzeitschrift zum Thema Arbeit: Grüne Blätter 3/2018: Ode an die Arbeit.