Wenn Deutschland bis 2050 klimaneutral werden soll, braucht es eine grundlegend andere Baupolitik. Alle neu zu entwickelnden Baugebiete müssen künftig mindestens klimaneutral sein oder besser noch: mehr erneuerbare Energie erzeugen, als sie selbst verbrauchen. Denn mehr als 30 Prozent der CO2-Emissionen entstehen rund ums Haus – beim Bauen und Heizen, über Warmwasser und Strom.
Ein Beitrag von Michaela Schorpp für Grüne Blätter 2/2019: Klimakrise.
Konkrete Klimaschutzpolitik steht und fällt mit einer nachhaltigen Stadt- und Verkehrsplanung sowie Baulandentwicklung. Die Logik ist einfach: Gebäude, die heute gebaut werden, stehen mindestens 50 Jahre! Deshalb sind sie so zu planen, dass sie zukünftigen Gebäudestandards gerecht werden, um die CO2-Emissionen der Altbauten rechnerisch neutralisieren zu können. Eine Art Generationenvertrag für die Gebäudesubstanz – die Jungen tragen und versorgen die Alten mit.
Was ist eine Plus-Energie-Siedlung?
In einer Plus-Energie-Siedlung wird mehr erneuerbare Energie produziert, als die Nutzer*innen verbrauchen. Da die erzeugte Energie nicht immer genau dann anfällt, wenn sie benötigt wird, kommen Speicher und smarte Kraftwerke zum Einsatz. Sie steuern die Energie verbrauchsgerecht. Die Quartiere werden individuell und standortabhängig geplant und gestaltet, wobei insbesondere das Potenzial für Solar- und Geothermie, der Selbstversorgungsgrad, Speicherkapazitäten und die Wirtschaftlichkeit des Gesamtkonzepts zu klären sind.
Gesetze bilden den Rahmen
Mit der Energieeffizienzstrategie Gebäude will Deutschland bis zum Jahr 2050 einen nahezu klimaneutralen Gebäudebestand verwirklichen. Neben der Sanierung ist deshalb die Bauland-Neuentwicklung sehr wichtig. Eine Vielzahl von Gesetzen, komplexe Förderrichtlinien, Baugesetzbuch (BauGB) und Landesbauordnungen setzen den Rahmen, aber die Ausgestaltung wird vor Ort geregelt. Wie zukunftsfähig, nachhaltig und klimaschonend gebaut wird, entscheiden die Städte und Gemeinden. Die erforderliche Technik ist vorhanden und bei Neubauentwicklungen wirtschaftlich einsetzbar. Mit Hilfe kommunaler Planungsinstrumente können jetzt schon konkrete Weichen für mehr Klimaschutz gestellt werden.
Bauleitplanung, städtebauliche Verträge und Kaufverträge
Flächennutzungs- und Bebauungspläne sollen nach § 1 a (5) BauGB „den Erfordernissen des Klimaschutzes Rechnung […]tragen“. Ebenso ist nach § 1 (6) Nr. 7 f BauGB, „die Nutzung von erneuerbaren Energien sowie die sparsame und effiziente Nutzung von Energie“ besonders zu berücksichtigen: Dies verdeutlicht das Gebot, ein Energiekonzept zu erstellen. Regelungen, welche sich nicht im Bebauungsplan festlegen lassen, wie beispielsweise die Nutzung von Strom aus erneuerbaren Energien, können mit vertraglichen Vereinbarungen zwischen Kommune und Privatpersonen bzw. Unternehmen getroffen werden. Hierzu zählen städtebauliche Verträge, vorhabenbezogene Bebauungspläne, Erbbaurechts- und Grundstückskaufverträge oder entsprechende Ausschreibungstexte für Wettwerbe.
Wenn sich die Grundstücke nicht in der Hand der Kommune befinden, eignen sich Regelungen in städtebaulichen Verträgen in Verbindung mit Bebauungsplänen als Planungsinstrumente. Nach § 11 (1) 4 BauGB können damit explizit „die Errichtung und Nutzung von Anlagen und Einrichtungen zur dezentralen und zentralen Erzeugung, Verteilung, Nutzung oder Speicherung von Strom, Wärme oder Kälte aus erneuerbaren Energien und Kraft-Wärme-Kopplung“ sowie nach § 11 (1) 5 BauGB „die Anforderungen an die energetische Qualität von Gebäuden“ geregelt werden.
Ist die Kommune selbst Grundstückseigentümerin, bieten Erbbaurechts- und privatrechtliche Kaufverträge Steuerungsmöglichkeiten. Mit ihnen lassen sich an die Veräußerung, Verpachtung oder Überlassung der Grundstücke Bindungen koppeln: Energieberatung, die Nutzung bestimmter Energiearten, erhöhte Wärmestandards. Kommunale Satzungen können auch Anschluss- und Benutzungszwang eines Quartierwärmenetzes regeln.
Klimaschutz passiert nicht von selbst
Plus-Energie-Projekte entstehen nicht von selbst und es bedarf auf kommunaler Ebene klarer Zielsetzungen und Vorgaben, vertraglicher Regelungen sowie der Einbindung zahlreicher Akteure. Sind Baulandentwicklungen von Anfang an aber so konzipiert, tragen sie wesentlich zur Erreichung der Klimaschutzziele bei.
Kommunale Checkliste für nachhaltige Stadtentwicklung
- Erneuerbares Energiekonzept
- Nachhaltiges Verkehrskonzept
- Abstimmung mit Energieversorgern und Netzbetreibern
- Einbindung aller relevanten Akteure
- Bebauungsplan mit Festsetzungen für Plus-Energie
- Städtebauliche Verträge mit Festsetzungen für Plus-Energie
- Kaufverträge zur Sicherstellung des Plus-Energie-Standards
- Betreibermodelle (z.B. Energiegenossenschaft) entwickeln
Ein Beitrag aus unserer Mitgliederzeitschrift zum Thema Klima: Grüne Blätter 2/2019: Klimakrise.