Im Oktober 2019 haben in der Region Karlsruhe/Mannheim fünfzehn Geflüchtete eine Ausbildung zum Lokführer begonnen. Dieses bisher einmalige Modellprojekt wird vom Verkehrsministerium und der Regionaldirektion der Agentur für Arbeit begleitet. Verkehrsminister Winfried Hermann berichtet im Interview über die Ziele und den Fortschritt des Programms.
Lieber Winne, seit Oktober 2019 läuft die ‚Qualifizierung Geflüchteter zu Triebfahrzeugführern‘. Was waren die Beweggründe, dieses Projekt ins Leben zu rufen?
Zum einen wollen wir geflüchteten Menschen eine berufliche Perspektive im Verkehrsbereich geben, damit sie davon leben können. Viele Geflüchtete haben in ihren Heimatländern zwar Qualifikationen und Abschlüsse erworben, diese werden jedoch in Deutschland oft nicht anerkannt. Das Modellprojekt ist also ein guter Weg, um ihnen nicht nur ein sicheres Einkommen, sondern auch einen interessanten Beruf zu ermöglichen. Zugleich sorgen wir dafür, dass Eisenbahnunternehmen neue Fachkräfte gewinnen. Lokführer werden bundesweit dringend benötigt. Der Mangel an Personal ist nach wie vor der häufigste Grund für Zugausfälle. Also, Geflüchtete suchen einen Job, wir suchen Lokführer. So profitieren beide Seiten und am Ende auch die Fahrgäste.
Wie hat sich das Projekt seitdem entwickelt?
Sehr gut! Vor einem Jahr haben wir das Projekt gestartet, im Herbst haben die 15 Auszubildenden den Qualifizierungskurs begonnen. Alle haben sich tapfer bewährt und bereits sehr viel bahnspezifisches Know-How gelernt. Der Lernstoff ist nicht einfach. Wichtige Unterstützung leistet dabei der Integrationscoach, den wir den Auszubildenden zur Seite gestellt haben. Dieser vom Land finanzierte Betreuer hilft als Vertrauensperson bei Alltagsproblemen, begleitet bei Behördengängen oder unterstützt bei Verwaltungsvorgängen in den Verkehrsunternehmen. Auch die Verkehrsunternehmen, die die Geflüchteten ausbilden, zeigen großes Engagement und sind bisher sehr zufrieden mit den hochmotivierten Auszubildenden.
Welches Potenzial siehst du für weitere Modellversuche?
Die beteiligten Verkehrsunternehmen sagen uns, dass das Projekt gut läuft und dass die Kombination aus Spracherwerb und Berufsausbildung eine gute Herangehensweise ist. Deshalb freue ich mich, dass bereits in diesem Jahr an einem weiteren Standort ein Kurs anlaufen wird: Ab Juli beginnen in der Region Stuttgart bis zu 24 Geflüchtete eine (Um-)Schulung zu Triebfahrzeugführern. Ich glaube, dass dieses Projekt ein Erfolgsmodell über Baden-Württemberg hinaus sein kann. Menschen mit Fluchthintergrund bringen häufig durch ihre Lebenserfahrung gute Voraussetzungen für den Beruf des Lokführers mit. Die meisten haben schon viel durchgemacht und sind deshalb auch starke Persönlichkeiten. Das ist ein Vorteil, denn bei so einem Beruf muss man gute Nerven haben.