Schüler und Studenten müssen aus Sicht der baden-württembergischen Grünen stärker in die Bildungspolitik einbezogen werden. „Gute Bildung braucht Eigenverantwortung und Mitspracherechte aller Beteiligten“, sagte der neue Grünen- Landesvorsitzende Chris Kühn in Stuttgart in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur dpa. Wie stark der Wunsch zur aktiven Gestaltung sei, hätten die wochenlangen Proteste an den Hochschulen gezeigt. „Baden-Württemberg müsste einfach mehr Demokratie wagen“, sagte Kühn und forderte die CDU/FDP-Regierung auf, eine „Verfasste Studierendenschaft“ einzuführen, deren gewählte Mitglieder sich auch zu politischen Fragen äußern dürfen.
Auch an den Schulen müssten Kinder und Jugendliche mehr Möglichkeiten der Mitbestimmung erhalten. „Beim Einüben von Demokratie spielt die Schule eine zentrale Rolle“, sagte der Grünen- Politiker, der am 21. November zusammen mit Silke Krebs in die gleichberechtigte Doppelspitze der Südwest-Grünen gewählt worden ist. Eltern, Schüler, Lehrer und Vertreter der Kommune müssten gleichberechtigt an der Entwicklung der Schulen mitwirken können. „Es kann nicht sein, dass die einzigen entscheidenden Fragen, über die Schüler entscheiden können, die Wahl des Klassensprechers und das Ziel der Klassenfahrt sind“, sagte Kühn.
Er forderte auch, dass die Städte und Gemeinden mehr Zuständigkeiten für ihre Schulen bekommen: „Die Kommunen sind mehr als Bauträger. Sie müssen den Prozess der alternden Gesellschaft gestalten. Sie können aber auch bildungspolitische Akzente setzen, beispielsweise mit der Gründung von Modellschulen.“ Mehr Mitwirkungsrechte für Schüler und Studenten könnten nach Kühns Überzeugung auch einen mobilisierenden Effekt haben: „Bei der Wahl von Hochschulgremien liegt die Beteiligung derzeit gerade einmal bei etwa 15 Prozent, weil die Studierenden wissen, dass die Gewählten kaum Gestaltungsmöglichkeiten haben. Das würde sich ändern, wenn beispielsweise ein politisches Mandat eingeführt würde.“ Auch die Akzeptanz für den sogenannten Bologna-Prozess mit der Einführung international anerkannter Abschlüsse könnte verbessert werden.
„Die in Bologna beschlossenen Reformen sind grundsätzlich gut, wurden aber vom Wissenschaftsministerium sehr schlecht und sehr bürokratisch umgesetzt“, sagte Kühn. Das hätten inzwischen auch einige CDU-Bildungspolitiker erkannt. Es genüge nicht, dafür zu sorgen, dass Studierende auf der Internetseite des Ministeriums ihre Kritik äußern können. Diese Möglichkeit werde mit dem Bologna-Kongress der CDU/FDP- Landesregierung am 8. März 2010 beendet. Die Diskussion müsse aber auch danach weitergehen, sagte der Grünen-Politiker: „Man sollte sich für die geplante Reform der Bologna-Reformen Zeit nehmen. Ein Schnellschuss wäre sicher falsch.“
Kühn plädierte zudem dafür, dass im Zuge der wachsenden Autonomie der akademischen Bildungsstätten auch die Rektoren direkt von allen Angehörigen der Hochschulen gewählt werden.
Quelle: dpa/lsw