Große Mehrheit, kleiner Anspruch. Angekündigt wurde viel, gestritten auch, doch die entscheidenden Zukunftsaufgaben ist die große Koalition in den ersten 100 Tagen nicht angegangen. Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Bundestagsfraktion Kerstin Andreae kritisiert im Interview unsinnige Subventionen und die falschen Prioritäten der Bundesregierung.
Wie bewertest du die ersten 100 Tage der Großen Koalition“?
Meine Bilanz fällt gemischt aus. Außenpolitisch agiert Merkel gerade sehr besonnen, da habe ich großen Respekt. In anderen Bereichen wie z.B. der Energiewende oder dem Bildungswesen wirkt die Große Koalition aber perspektivlos.
Was konkret kritisierst Du an der bisherigen Regierungsarbeit?
Nehmen wir die aktuelle Rentendebatte. Arbeitsministerin Nahles verkündet vermeintliche Wohltaten mit der kernigen Werbebotschaft „nicht geschenkt, sondern verdient“. Geschenkt ist hier zwar in der Tat nichts, rund 10 Milliarden Euro kostet das Rentenpaket die Beitragszahlenden jedes Jahr. Aber es profitieren längst nicht alle davon, die es verdienen würden und gegen Altersarmut wird auch nichts getan.
Was müsste aus Deiner Sicht anders gemacht werden?
Die Prioritäten müssten richtig gesetzt werden. Die Milliarden für Rentenpaket, Betreuungsgeld oder unsinnige Subventionen fehlen uns an anderer Stelle, wie z.B. Bildung oder Infrastruktur. Verbesserungen von Kitas, Schulen und Hochschulen wären dringend nötig, aber die Koalition ist sich weder über die Höhe der Förderung noch über die Verteilung einig. Mehr Geld für Zukunftsinvestitionen? Fehlanzeige. Verkehrsminister Dobrindt nähert sich mit seinem neuen hippen Outfit zwar optisch der Internetbranche, inhaltlich hört man aber kaum etwas von ihm. Von einem flächendeckenden Breitbandausbau ist er meilenweit entfernt. Deutschland droht gerade seine Technologieführerschaft zu verlieren. Das müsste Priorität haben.