Frauen müssten jedes Jahr fast drei Monate länger arbeiten, um gleich viel Geld wie Männer zu verdienen. Der rechnerische „Gleichstand“ ist am 26. März erreicht, der deshalb als „Equal Pay Day“ gilt. Bundesweit verdienen Frauen deutliche 23 Prozent weniger als Männer. In Baden-Württemberg liegt die Diskrepanz sogar bei 28,5 Prozent. Im ländlichen Raum – und damit in vielen Teilen Baden-Württembergs – fallen die Lohnunterschiede im Vergleich zu den Städten zusätzlich bis zu 10 Prozent höher aus. Für alle gilt, je höher die Gehaltsstufe, desto größer der Unterschied. Es ist also höchste Zeit zum Handeln: Wir wollen es nicht beim Hinweis auf die Unterschiede belassen, wir benennen konkrete Ursachen und wie sie beseitigt werden können.
Ursache 1: Zu wenig Frauen in den Chefetagen, in den Aufsichtsräten, in den Vorständen, auf den Lehrstühlen!
In den Vorständen der 200 Umsatz stärksten deutschen Unternehmen waren 2009 bundesweit 21 von 833 Vorstandsmitgliedern Frauen. In den Aufsichtsräten der Top-200-Unternehmen lag der Frauenanteil bei lediglich 10 Prozent, fast alle Frauen wurden von Arbeitnehmer_innenseite entsandt.
In Baden-Württemberg waren im Jahr 2007 annähernd 189.000 Männer, jedoch nur rund 52.000 Frauen in Führungspositionen. Gemessen am Frauenanteil bei den Erwerbstätigen von 45 Prozent insgesamt sind „Chefinnen“ mit knapp 22 Prozent nach wie vor deutlich unterrepräsentiert. Auffällig ist auch, dass in Baden-Württemberg die Präsidenten aller Industrie- und Handels- sowie aller Handwerkskammern nach wie vor männlich sind. Seit kurzem gibt es lediglich eine Hauptgeschäftsführerin. Wir Grüne sind überzeugt, dass sich die Wirtschaft im Ländle den Ausschluss von Frauen nicht länger leisten kann.
Frauen in Führungsetagen sind für die Unternehmen unverzichtbar. Die Studie „Women matter“ von McKinsey ergab: Firmen, in denen Frauen Führungspositionen einnehmen, erwirtschaften nicht nur mehr Gewinn. Nach Untersuchung der US Frauen-Organisation Catalyst sind gemischte Führungsgremien sowohl ökonomisch als auch organisatorisch signifikant erfolgreicher. Unternehmen mit mehr als drei Frauen im Vorstand erwirtschaften eine bis zu 53 Prozent höhere Eigenkapitalrendite. Bei McKinsey schnitten Unternehmen mit mindestens drei Frauen im Führungsgremium vor allem bei den Kriterien von Arbeitsqualität über Koordination bis zur Innovationsfähigkeit besser ab als Firmen ohne weibliche Führungskräfte. Fest steht also: Die größere Beteiligung von Frauen bringt Vorteile über die Geschlechtergerechtigkeit hinaus.
Ein zentrales Instrument für mehr Geschlechtergerechtigkeit ist die Quote. Ihr Erfolg ist faktisch belegt: Bei uns Grünen. Seit 1986 gilt bei uns die Mindestquotierung bei allen politischen Ämtern und Mandaten. Die Effekte sprechen für sich: Der Anteil an selbstbewussten, durchsetzungsstarken und eigenständigen Frauen auf allen Ebenen ist bei uns deutlich größer, unsere Politik vertritt deutlich besser die Interessen von Frauen. Und dies wird mit deutlich mehr Frauen als Wählerinnen belohnt. Unser Modell ist unser Markenzeichen und wir wollen, dass es auch ein Exportschlager wird. Es ist höchste Zeit für die 40 prozentige Quote für beide Geschlechter in den Aufsichtsräten der Privatwirtschaft. Norwegen hat die Umsetzbarkeit und den Erfolg einer Quotierung eindrucksvoll belegt. Um den althergebrachten Einwand zu widerlegen, es gäbe nicht genügend qualifizierte und interessierte Frauen, wurde zudem eine Datenbank mit möglichen Kandidatinnen eingerichtet.
Dem Vorbild Norwegens sollten Deutschland und Baden-Württemberg endlich folgen. Entsprechendes gilt für Unternehmen, die im Besitz der öffentlichen Hand sind. Auf die Personalpolitik der öffentlichen Hand und die Besetzung von Aufsichtsräten lässt sich politisch und per Gesetz direkt Einfluss nehmen, ebenso wie auf die vieler anderer Gremien, wie Beiräte, Kuratorien, Vorstände. Sind dort erst einmal Frauen paritätisch vertreten, setzt sich der Effekt auch in anderen Führungsgremien durch. Die Quote muss bis 2017 erreicht sein. Falls nicht, sollen Sanktionen bis hin zum Entzug der Zulassung an der Börse im Aktiengesetz verankert werden.
In Baden-Württemberg herrscht dringender Handlungsbedarf: In den Aufsichtsräten landeseigener Unternehmen waren Ende 2007 nur vier von 42 Posten mit Frauen besetzt. Innerhalb der Baden-Württembergischen Landesregierung gibt es derzeit drei Ministerinnen von elf, eine Staatssekretärin von sechs und auf ministerialen Ebene findet sich gerade mal eine Ministeraldirektorin als Amtsleiterin.
Beim Frauenanteil an den Landtagsmandaten ist Baden-Württemberg im Bundesvergleich das Schlusslicht, bei den Promotionen nimmt es mit knapp 40 Prozent den zweitletzten, bei den Habilitationen mit knapp 21 % den viertletzten Rang ein, bei Hochschulprofessuren lag der Frauenanteil 2007 unter 15 %. Wir aber wollen den öffentlichen Sektor zur Speerspitze der Gendergerechtigkeit machen. Die Führungsgremien von Politik, Ministerien, Polizei und an Hochschulen sollen zur Hälfte in der Hand von qualifizierten Frauen sein.
Was für das Spitzenpersonal gilt, gilt auch darunter: Wir dürfen die vielen gut qualifizierten Frauen nicht ausbremsen, wir können und wir wollen uns den Knick in den Erwerbsbiografien vieler Frauen gleich nach der Ausbildung oder nach Mutterschutz oder Elternzeit nicht mehr leisten.
Uns geht der Beitrag hoch motivierter und bestens qualifizierter Frauen verloren, weil viel zu viele an fehlenden Strukturen und gläsernen Decken scheitern. Das ist neben einer himmelschreienden Ungerechtigkeit eine gefährliche Verschwendung von Potentialen. Von einer hohen Frauenerwerbsquote profitiert die gesamte Wirtschaft, Frauen haben die besseren Bildungsabschlüsse und dennoch die weniger qualifizierten Jobs.
Und komme keine und keiner mehr mit dem vorauseilenden Mitleid für Quotenfrauen. Wir Grünen haben bewiesen: Mit der Praxis und der steigenden Zahl an Führungsfrauen wird Frauenpower und Frauenführung zur Selbstverständlichkeit. Auch die These, gezielte Frauenunterstützung werde nicht mehr benötigt zieht nicht. Es ist wunderbar für diejenigen, bei denen sie zutrifft. Wenn aber bei der Bewerbung, beim nächsten Karriereschritt oder nach dem Studium bei Promotion und Habilitation Probleme auftreten, hat dies häufig strukturelle Gründe. Benachteiligungen durch tradierte Geschlechterrollen sind individuell nicht lösbar. Deshalb sind institutionelle Veränderungen und klare und faire Regeln unverzichtbar.
Wir wollen
Ursache 2: Frauen in den Dienstleistungen, Männer an den Werkbänken
In Baden-Württemberg arbeiteten 2008 rund 85% der Teilzeitbeschäftigten und fast 80% der geringfügig Beschäftigten im Dienstleistungsbereich, zwei Drittel davon sind Frauen. In der Industrie liegt die Vollzeitquote bei 94%. In der Geschlechterverteilung liegen erhebliche Unterschiede: Im Dienstleistungssektor arbeiten fast 83% der Frauen und 54% der Männer. In der Produktion sind es fast 45% der Männer und 17 % Frauen. Damit sind die Chancen sich und ggf. die eigene Familie zu ernähren, in den jeweiligen Sektoren extrem unterschiedlich verteilt. Je geringer eine Arbeit bezahlt wird, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie von Frauen gemacht wird.
Doch Dienstleistung expandiert und wird zum Hauptwirtschaftsfaktor, auch in Baden-Württemberg: Nach dem Bericht des Statistischen Landesamtes Baden-Württemberg entstanden 2008 1,4 Mio. neue Jobs vornehmlich im Dienstleistungssektor. Zwei Drittel aller Erwerbstätigen in Baden-Württemberg sind dort beschäftigt. Im Krisenjahr 2009 gingen im Verarbeitenden Gewerbe 46.000 Stellen verloren, bei den Dienstleistungen entstanden 2009 16.000 neue. Im Dienstleistungssektor gibt es bei weitem nicht nur Geringverdiener_innen, es gibt dort aber einen besonders ausgeprägten Niedriglohnbereich, auch das Gesamtlohnniveau ist geringer. Und auch innerhalb des Sektors gilt: Je mehr Männer ein Berufsbild prägen (z.B. unternehmensnahe Dienstleistungen im IT-Bereich), desto besser wird bezahlt.
Und in der Produktion? Mit der Schwerpunktverschiebung von der reinen Produktion zu High-Tech-Fertigung und Systemmanagement steigen auch die Ausbildungsanforderungen an die Beschäftigten. High Technology braucht hochqualifizierte Arbeitskräfte. Händeringend wird versucht, mehr Jugendliche für technische Berufe zu begeistern. Frauen bleiben weiterhin deutlich in der Minderheit und das nicht nur, weil sie technikorientierte Bildungswege nicht wählen. Tun sie es dennoch, brechen sie überdurchschnittlich oft die Ausbildung ab oder finden anschließend keinen geeigneten Arbeitsplatz. Als Grund werden häufig fehlende Unterstützung, frauenunfreundliche Strukturen oder gar direkte Diskriminierung genannt.
Im frauendominierten Dienstleistungssektor entstehen neue Stellen, dort dominieren aber Niedriglohnbeschäftigungen. Im besser entlohnten Produktionsbereich sind trotz des mittelfristig absehbaren Fachkräftemangels Frauen schlecht verankert. Auch so wird Lohnungleichheit erzeugt.
Die Konjunkturprogramme waren einseitig auf Investitionen in Infrastruktur ausgerichtet. So wurde z.B. im Bildungsbereich in Beton und nicht in Köpfe investiert und die Sicherung von Arbeitsplätzen vorrangig in den Bereichen Automobilindustrie und Hoch- und Tiefbau subventioniert. Vielleicht auch, weil Perspektiven für die Wirtschaft mehr in männer- als in frauendominierten Bereichen (z.B. in der Bauwirtschaft statt im Bildungswesen) gesehen werden? Es ist höchste Zeit, dass sich Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik einen geschlechterspezifischen Blick aneignen. So richtig es ist, den Zugang von Frauen zu technischen Berufen auf die politische Agenda zu setzen, so wichtig ist aber auch, die wirtschaftlichen Potentiale da zu erschließen, wo schon überwiegend Frauen tätig sind: im Dienstleistungsbereich.
Gerade auch die für Baden-Württemberg wichtigen Bereiche des Dienstleistungssektors, die Gesundheitsbranche, Gastronomie und Tourismus, sind geprägt von prekären Beschäftigungsverhältnissen. Der Kostendruck auf die Löhne ist bei den oft personalintensiven Tätigkeiten höher, „Frauenberufe“ werden tariflich schlechter eingruppiert, unzureichende Kinderbetreuungsangebote und die ungleiche Verteilung der Erziehungsverantwortung und der Pflegeverantwortung drängen Frauen oft ungewollt in Teilzeittätigkeiten. Entsprechend bietet die Stellenstruktur im frauendominierten Dienstleistungsbereich oft keine auskömmlichen Löhne und führend damit auch zu einem unzureichenden Rentenniveau bei Frauen.
Hier heißt es gegensteuern, die grünen Konzepte dazu liegen vor: Durch Abschmelzen des Ehegattensplittings werden die falschen Anreize gegen Erwerbsbeteiligung von Frauen gestoppt, das Gehalt des weniger verdienenden Ehepartners soll durch die Steuerverteilung nicht länger noch zusätzlich heruntergerechnet werden. Mit dem Progressivmodell bleibt mehr Netto vom Brutto im Gehaltsbereich unter 2000 Euro. Nach diesem Modell werden zwar schon ab einem geringen Verdienst Sozialversicherungsabgaben fällig, die volle Abgabenbelastung greift aber erst bei 2000 Euro. Das Gute daran ist, dass ab dem ersten Euro Sozialversicherungsansprüche erworben werden. Der durch die Minijobs gesetzte Anreiz zur Zersplitterung von regulären Stellen in geringfügige Beschäftigungsverhältnisse würde beendet. Die Regulierung der Zeitarbeit wird dazu führen, dass das Prinzip „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ uneingeschränkt gilt und Stammbelegschaften nicht mehr durch ZeitarbeiterInnen ersetzt werden. Ergänzend dazu verhindert der gesetzliche Mindestlohn und weitere branchenspezifische Mindestlöhne Lohndumping.
Wir wollen:
Ursache 3: Direkte Lohndiskriminierung
Anachronistisches Denken lebt auch in der Tarifpolitik fort: So werden – ganz unabhängig vom tatsächlichen Familienstand – Männer bei Einstellung, Gehaltsverhandlungen und Tarifeingruppierung als (potentielle) Familienernährer eingestuft, Frauen als Zuverdienerinnen. Entsprechend niedriger fallen die Löhne für Frauen aus.
Bei der Umstellung des BAT auf TVöD wurde versäumt, die Einstufungskriterien geschlechtergerecht zu überarbeiten. So wird z.B. im Öffentlichen Dienst soziale Kompetenz nicht bewertet, davon würden aber gerade frauendominierte Berufe profitieren. Es ist nicht begründbar, warum Müllwerker z.T. mehr verdienen als Sozialpädagoginnen nach einem mehrjährigen Studium. Auch bei der Anrechnung von Belastungen wird ungleich gewertet.
Das hatte zur Folge, dass Männer regelmäßig mehr Zulagen bekommen als Frauen. Eine Frau erhält beispielsweise nur eine Stundenzulage, solange sie am Spülbecken steht, während ein Müllwerker für seine Arbeit eine Pauschale erhält.
Hier stehen die Tarifpartner in der Verantwortung. Gerade die öffentlichen Arbeitgeber sind gefragt, mit gutem Beispiel voranzugehen. Viel wäre auch gewonnen, wenn die Gewerkschaften endlich mehr Engagement entwickeln würden, die Tarifgruppen geschlechtergerecht zu gestalten.
Aber auch der juristische Schutz vor Lohndiskriminierung ließe sich verbessern. Ein ausdrückliches Verbot von Lohnungleichheit im Allg. Gleichbehandlungsgesetz (AGG) erzeugt Druck und verbessert die Einklagbarkeit geschlechtergerechter Bezahlung. Dies fordert – neben uns Grünen – auch der Deutsche Juristinnenverband und unterstützt ein Verbandsklagerecht im AGG, um systematische Lohnungerechtigkeiten beseitigen zu können.
Wir wollen:
Ursache 4: Fehlende Kinderbetreuung und Pflegehilfe
Teilzeitarbeit wird von vielen gewählt, um in der ‑heißen Phase’ der Erziehung kleiner Kinder Beruf und Kindererziehung vereinbaren zu können oder um die häusliche Pflege für Familienangehörige leisten zu können. Sehr häufig führt Teilzeitarbeit ungewollt zu einem dauerhaften Karriereknick. Und sie trägt dazu bei, dass die Verdienste und die daraus resultierenden Rentenzahlungen von Frauen und Männern auseinanderklaffen. Wenn Teilzeitarbeitsplätze vor allem in frauendominierten Bereichen angeboten werden, in männerdominierten jedoch die Ausnahme bleiben, kann sich an der ungleichen Verteilung der Erziehungs- und Pflegeverantwortung und des Einkommens nichts ändern. Nur wenn sich Frauen und Männer gleichermaßen und ohne anschließenden Karriereknick für Teilzeitarbeit entscheiden können, wird unsere Arbeitswelt familienfreundlich und Kinder werden nicht zum Armutsrisiko. Also weg mit den strukturellen Zwängen. Wir brauchen mehr Gestaltungsfreiheit.
Je flexibler das Kinderbetreuungsangebot und die Pflegeinfrastruktur sind, desto besser lässt sich Erziehung, Pflege und Beruf vereinbaren. Doch gerade in Baden-Württemberg sind die Angebote vielerorts mehr als dünn. Wenn Frauen in der Regel diejenigen mit dem schlechteren Verdienst sind, werden sie aus rein ökonomischen Zwängen in der Regel auch diejenigen sein, die ihren Beruf für die Kinderbetreuung und die Pflegeleistung zurückstellen. Eine Rückkehr ins Berufsleben findet bei vielen – wenn überhaupt – oft erst nach mehreren Jahren statt. Das ist besonders für Höherqualifizierte dramatisch. Nicht nur, dass ihre Fähigkeiten über lange Zeit nicht im Einsatz sind und ihr Wissen sich überholt hat. Sie verlieren auch den Anschluss an Karrierenetzwerke und damit Chancen auf einen Aufstieg.
Nicht nur der Staat, auch die Unternehmen selbst sind gefragt, hier zu handeln. Flexiblere Arbeitszeiten, individuelle Vereinbarungen zum Wiedereinstieg und gute Pflege- und Kinderbetreuungsangebote sind Schritte zu einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Berufstätigkeit, die beiden Geschlechtern gerecht wird.
Wir wollen:
Fazit
Ungleiche Entlohnung kann beseitigt werden. Wir Grünen wollen es beim Beklagen nicht belassen, sondern gezielt gegensteuern. Unsere Konzepte für eine geschlechtergerechte Zukunft stehen bereit und die Forderungen des Equal-Pay-Day gelten bei uns nicht nur am 26. März, sondern 365 Tage im Jahr.