Wir stehen in Europa vor großen Herausforderungen. Und diese Europawahl ist dafür entscheidend, wo die Europäische Union in den nächsten Jahren hinsteuert. Unsere baden-württembergischen Kandidat*innen Anna-Deparnay-Grunenberg und Michael Bloss setzen sich für ein solidarisches Europa und mehr Klimaschutz ein. Im Interview erzählen sie, was sie antreibt und wofür sie antreten.
Liebe Anna, wo begegnet dir Europa?
Anna: Im Alltag – in meiner Familie! Meine Mutter wohnt im Elsass, meine Schwester in Frankreich im Dreiländereck, mein Vater wohnt mit seiner spanischen Frau in San Sebastian, eine meiner Schwägerinnen in Maastricht und die andere mit ihrer halbitalienischen Familie in Fürth. Für uns sind unsere kulturellen Besonderheiten ganz selbstverständlich, genauso wie darüber zu lachen. Und ich merke auch als Gemeinderätin fast täglich, wo uns die EU-Sicht beflügelt und wo sie uns begrenzt. Das offensichtlichste Beispiel sind da die Grenzwerte zur Luftreinhaltung. Die Untätigkeit der Bundesregierung hat zu Fahrverboten geführt. Aber die Debatte hat auch die notwendige Verkehrswende vorangebracht. Die große Tarif-Reform im ÖPNV und der Ausbau zur Fahrradstadt haben erst dadurch Mehrheiten im Stuttgarter Gemeinderat gefunden.
Micha: Und das ist doch das Tolle an Europa, es findet sich überall. Die Europäische Union bringt den Umweltschutz voran, sorgt für Standards für gesundes Essen und gibt uns die Möglichkeit frei zu reisen und in vielen Mitgliedsstaaten mit der gleichen Währung zu bezahlen. Das Schöne an Europa ist, dass es so selbstverständlich ist und schon fast nicht mehr auffällt. Vielleicht liegt aber darin auch ein Problem – wir müssen diese Errungenschaften ins Bewusstsein rufen!
Was hat euch motiviert, für die Europawahl zu kandidieren?
Anna: Als Deutsch-Französin und begeisterte Europäerin konnte ich schlicht nicht mehr zusehen, wie dieser „Roll-Back“ zum Nationalismus in Europa vonstattengeht. Zudem bin ich als Kommunalpolitikerin überzeugt, dass wir nur gemeinsam, als Kommunen vor Ort und als geeinte Europäische Union, den aktuellen globalen Krisen begegnen können.
Ist das bei dir ähnlich, Micha?
Micha: Ja! Mein politisches Schaffen kreist um Europa. Ich war Sprecher der Europäischen Grünen Jugend. Da habe ich sehr unterschiedliche Perspektiven kennengelernt. Wie zum Beispiel die Menschen in Griechenland, Irland oder Lettland auf Europa schauen. Die europäische Zusammenarbeit macht Politik durchsetzungsfähig, dazu müssen wir aber lernen, europäisch zu denken.
Und deshalb ist gerade diese Europawahl so wichtig?
Micha: Diese Wahl ist ganz klar eine Schicksalswahl für die Europäische Union. Die Bedrohung durch rechte Spalter*innen und Nationalist*innen ist enorm. Gleichzeitig mobilisiert das auch diejenigen, die vehement für die europäische Idee eintreten. Deswegen kämpfen wir Grüne überall in Europa für Vielfalt, Demokratie und gegen den Rückfall in das Nationalistische.
Anna: Zudem brauchen wir dringend eine Mobilitäts- und Energiewende und einen Wandel in der Landwirtschaft. Nur so können wir die Pariser Klimaschutzziele einhalten und das Artensterben eindämmen. Wir müssen endlich globale Verantwortung für unser Handeln übernehmen. Denn auch zukünftige Generationen sollen auf diesem Planeten in Würde leben können.
Was ist die grüne Antwort auf diese Herausforderungen?
Anna: Wir brauchen einen Nachhaltigkeitscheck bei allen Ausgaben und Förderprojekten der Europäischen Union. Das würde zum Beispiel in der Landwirtschaft zu einer ökologischen Wende führen. Denn biologische Landwirtschaft schützt die Gewässer, die Artenvielfalt und unser Klima.
Micha: Wichtig ist auch, dass wir das demokratische Fundament der EU stärken. Die Bürger*innen sollen mehr direkten Einfluss auf die Europäische Union haben und auch transparentere Informationen aus Brüssel bekommen. Besonders junge Menschen, deren Zukunft gerade aufs Spiel gesetzt wird, müssen mehr in politische Entscheidungen einbezogen werden.
An welche grünen Erfolge in Europa erinnert ihr euch gerne?
Micha: Allein, dass die Europäische Union existiert, ist historisch gesehen ein unglaublicher Erfolg. Sie hat aus einem Kriegskontinent ein nie dagewesenes Friedensprojekt gemacht. Und wir Grüne haben viel erreicht: Das europäische Modell des Datenschutzes geht auf uns zurück. Ebenso haben wir Druck gemacht, dass das Prinzip gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort für alle gilt.
Anna: Außerdem haben wir uns im Verkehrsbereich für das Schließen von grenzüberschreitenden Lücken der Bahntrassen eingesetzt. Es ist enorm wichtig, dass wir alles Mögliche für eine klimafreundliche Mobilität tun.
Wie bringen wir diese Botschaften im Wahlkampf auf die Straße?
Anna: Es ist wichtig, dass wir als Grüne laut für die Europäische Union eintreten! Wir sehen den notwendigen Wandel und gleichzeitig auch sehr viele schwierige politische Entscheidungen vor uns. Aber gerade deshalb müssen wir den Mut haben, für ein solidarischeres und ökologischeres Europa einzutreten.
Micha: Wir stehen vor einer historischen Wahl. Wir müssen dieses Friedensprojekt gegen die Nationalist*innen verteidigen und Europa weiterentwickeln. Die Klimakrise braucht eine gemeinsame europäische Antwort! Unsere große Aufgabe ist es, die Vorherrschaft der fossilen Energien zu beenden, die unseren Planeten zerstören. Und wer könnte das besser als die Europäische Union?
Ein Beitrag aus unserer Mitgliederzeitschrift zum Thema Europa: Grüne Blätter 1/2019: Europa. Die beste Idee, die Europa je hatte.