Das neue Landesmobilitätsgesetz soll den Weg für nachhaltige Mobilität in Baden-Württemberg freimachen. Wir haben Verkehrsminister Winfried Hermann gefragt, was sich damit für uns verbessert.
Was regelt das Landesmobilitätsgesetz?
Mit dem Landesmobilitätsgesetz (LMG) gießen wir die nachhaltige Zukunft der Mobilität in Gesetzesform. Effektiv. Innovativ. Nachhaltig. Das LMG schafft den Rahmen für eine umwelt- und klimafreundliche, verlässliche, bezahlbare, sozial gerechte, barrierefreie, sichere, resiliente, bedarfsgerechte und leistungsfähige Mobilität in Baden-Württemberg.
Das LMG ist vom Grundsatz getragen, den Kommunen mehr Gestaltungsräume für nachhaltige Mobilität und Lebensqualität zu eröffnen. Ob bei der ÖPNV-Finanzierung, der Parkraumkontrolle oder bei der Koordinierung von Radwegenetzen. Es ist ein Ermöglichungsgesetz für die Kommunen.
Der erste Teil des Gesetzes schafft Maßstäbe, die im Verwaltungshandeln berücksichtigt werden sollen. Er bildet die rechtliche Grundlage, um die Mobilität der Menschen im Land im Einklang mit den Anforderungen des Klimaschutzes zu ermöglichen, voranzubringen und zukunftsfest zu gestalten.
Im zweiten Teil werden konkrete Regelungen getroffen, die eine nachhaltige Mobilität unterstützen. Besonders wichtig sind die Regelungen zum Mobilitätspass, der digitalen Parkraumkontrolle und den Radkoordinator*innen auf Stadt- und Landkreisebene.
Welchen Beitrag leistet das LMG zum Klimaschutz?
Das Gesetz hilft den Straßenverkehrsbehörden sowie den Tiefbau- und Planungsämtern bei der Umsetzung des Klimaschutz- und Klimawandelanpassungsgesetzes des Landes.
Ein zentraler Baustein für die klimafreundliche Mobilität ist das Angebot an Bussen und Bahnen. Mit dem Mobilitätspass erhalten Kommunen eine neue Finanzierungsmöglichkeit, um den ÖPNV auszubauen.
Der wirksamste Hebel der Kommunen für mehr Klimaschutz ist ein systematisches Parkraummanagement, da es die Anzahl der Fahrten und letztlich auch der Autos entscheidend beeinflusst. Mit der digitalen Parkraumkontrolle, die das LMG den Kommunen nun ermöglicht, lassen sich falsch geparkte Autos effizienter kontrollieren. So wird der Fuß- und Radverkehr sicherer und attraktiver.
Was sind die Kernregelungen der Allgemeinen Ziele?
Das LMG erleichtert Entscheidungen auf kommunaler Ebene im Sinne einer nachhaltigen Mobilität und enthält folgende allgemeine Ziele, die Planungen und Entscheidungen mit Verkehrsbezug berücksichtigt werden sollen:
- Eine bedarfsgerechte, leistungsfähige und intelligente Straßeninfrastruktur für den Busverkehr und andere Verkehrsmittel
- Barrierefreie Angebote, damit alle gleichberechtigt am Straßenverkehr teilnehmen können
- Besondere Beachtung der Anforderungen von Kindern und Jugendlichen an eine eigenständige, sichere Mobilität
- Durchgängige Digitalisierung, damit ein effizienter und verlässlicher Wechsel zwischen verschiedenen Verkehrsarten gelingt
- Regionale Güterandienung auf der Schiene und Multi-/Intermodalität bei der Güterbeförderung
Daneben enthält das LMG folgende besonderen Ziele:
- Verkehrssicherheit: Prüfpflicht der Verkehrsbehörden nach tödlichen Unfallstellen an Knotenpunkten oder Stellen, an denen sich Unfälle häufen
- Fuß- und Radverkehrsinfrastruktur: a) bedarfsgerechte Dimensionierung, b) Vermeidung der gemeinsamen Führung von Auto- und Radverkehr bei hohen Verkehrsaufkommen und unverminderter Geschwindigkeit, c) Vermeidung gemeinsamer Führung von Rad- und Fußverkehr innerorts
- Lebendige und verkehrsberuhigte Ortsmitten: Bei Bau, Umbau und Umplanung von Straßen soll auf die Entlastung des Verkehrsraums von parkenden Fahrzeugen hingewirkt werden.
- Elektromobilität: Bei Planung und Betrieb von Park- und Stellplätzen soll die öffentliche Hand den Bedarf an Ladeinfrastruktur angemessen berücksichtigen und die Mitverlegung von Netzanschlüssen auf den künftigen Bedarf ausrichten.
- Anbindung Baugebiete an ÖPNV: Bei der Planung neuer und Nahverdichtung vornehmlich dem Wohnen dienender Baugebiete und anderer Baugebiete mit erheblichem Ziel- und Quellverkehren sollen die Aufgabenträger des öffentlichen Nahverkehrs eine Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr prüfen.
Wie sorgt das Landesmobilitätsgesetz für mehr Sicherheit im Straßenverkehr?
Im Landesmobilitätsgesetz verankern wir das Ziel der Vision Zero auch auf gesetzlicher Ebene. Und schärfen bei den konkreten Vorgaben nach:
Nach jedem tödlichen Unfall an einem Knotenpunkt, soll von den Straßenverkehrsbehörden unverzüglich geprüft werden, mit welchen Mitteln sich Unfälle vermeiden lassen.
Wer künftig Verkehrsraum saniert oder neu plant, soll sichere Rad- und Fußwegenetze gewährleisten. Zum Beispiel soll es auf viel befahrenen Straßen keine gemeinsam geführten Wege für Auto- und Radfahrer*innen mehr geben.
Das LMG enthält erstmals auch gesetzliche Leitlinien für die Umgestaltung von Ortsmitten hin zu lebendigen und verkehrsberuhigten Plätzen und Straßen. Dafür brauchen wir weniger parkende Autos und mehr Platz für Fuß- und Radwege, für Bäume, Schatten und Orte der Begegnung. Daten belegen, dass jeder fünfte Unfall im Fuß- und Radverkehr durch parkende Autos verursacht wird. Deshalb geben wir den Kommunen nun das Instrument der digitalen Parkraumkontrolle in die Hand.
Stadt- und Landkreise können nun „Radkoordinator*innen“ für den Ausbau von Radwegen einstellen – wie bringen sich diese ein?
Radwege dürfen nicht an Stadt-, Gemeinde- und Kreisgrenzen enden. Es braucht ein lückenloses und sicheres Wegenetz über Baulastgrenzen hinweg. Dafür spielt die Koordination der Radinfrastruktur eine entscheidende Rolle. Für diese Aufgabe braucht es aber Personal.
Personal, für das in den Kommunen aber oft schlicht die Finanzmittel nicht zur Verfügung stehen. Aus diesem Grund fördert das Verkehrsministerium bereits seit 2020 Fachkräfte für die Radwegekoordination. Über die Hälfte der Stadt- und Landkreise (25 von 44) hat bereits von uns geförderte Koordinator*innen für Radverkehrsnetze eingestellt. Mit dem LMG stärkt das Land die Rolle der Radkoordinator*innen und übernimmt je Stadt- und Landkreis die vollständige Finanzierung einer Vollzeitstelle. So sichern wir ein lückenloses Radwegenetz langfristig ab.
Die Radkoordinator*innen haben, sofern diese eingerichtet wurden, folgende Aufgaben:
- Unterstützung der kreisangehörigen Gemeinden bei Planung, Ausbau und Erhaltung der Radverkehrsnetze,
- Schnittstellenfunktion zwischen Regierungspräsidien und kreisangehörigen Gemeinden bei Fragen im Zusammenhang mit auf Bundes- oder Landesebene bestehenden Förderprogrammen insbesondere zum Ausbau von Radverkehrsinfrastruktur,
- Abstimmung mit anderen Straßenbaulastträger.
Mit dem „Mobilitätspass“ haben Kommunen außerdem die Möglichkeit, Abgaben für den ÖPNV zu erheben, die den Zahlenden als Guthaben für ÖPNV-Tickets gutgeschrieben werden. Welchen Vorteil hat das?
Zwischen 2020 und 2024 haben die meisten größeren Städte in Baden-Württemberg ihr ÖPNV-Angebot weiter verbessert. Damit steht der kommunale Nahverkehr im bundesweiten Vergleich sehr gut da. Auf den Nahverkehr im Land können sich die Bürger*innen vor allem in den Großstädten im Land wirklich verlassen.
Wir brauchen weiterhin auch in ländlichen Regionen und den Randzonen einen Ausbau in hohem Tempo, um Vorreiter im Klimaschutz zu bleiben. Wer den ÖPNV weiter ausbauen will, braucht neue Instrumente zur Finanzierung. Hier hilft der Mobilitätspass, der mit dem Landesmobilitätsgesetz jetzt möglich ist. Die Kommunen können dabei zwischen zwei Modellen, einer Abgabe für Einwohner*innen und einer Abgabe für Kfz-Halter*innen wählen. Der Mobilitätspass als Nahverkehrsabgabe ist ein Modell, das den Städten einen neuen, finanziell abgesicherten Gestaltungsspielraum für den Ausbau des ÖPNV eröffnet, den es so bisher nicht gibt.
Die Landkreise und Städte in Baden-Württemberg entscheiden selbst darüber, ob sie den Mobilitätspass einführen möchten. Das System dahinter ist einfach und fair: Wer für den Mobilitätspass eine Abgabe leisten muss, bekommt als Gegenleistung ein Guthaben für ein ÖPNV-Ticket in gleicher Höhe. Auch eine Anrechnung des Guthabens beim Kauf des Deutschland-Tickets soll möglich sein. Die durch die Abgabe entstehenden Einnahmen werden in den ÖPNV vor Ort investiert und machen diesen besser.
Auch die Parkraumkontrolle soll digital werden – warum setzt Baden-Württemberg nun auf Scan-Fahrzeuge?
Das LMG ermöglicht den Kommunen eine moderne digitale Parkraumkontrolle. Damit kommen wir dem expliziten Wunsch vieler Kommunen im Land nach. Einige stehen schon in den Startlöchern. Das LMG schafft den gesetzlichen Rahmen für den Einsatz von Scanfahrzeugen, mit denen die Regeln zum Parken effizient und wirkungsvoll kontrolliert werden können. Eine Person kann mit einem Scan-Fahrzeug bis zu 1.000 Fahrzeuge pro Stunde kontrollieren, ohne nur etwa 50 Fahrzeuge.
Damit schaffen wir mehr Sicherheit durch weniger Falschparker*innen und die Kommunen können öffentliche Flächen besser nutzen.
Besonders hohe Priorität hat bei diesem Thema der Datenschutz. Das Verkehrsministerium hat sich deshalb sehr eng mit dem Landesdatenschutzbeauftragten abgestimmt. Das Verarbeiten und das befristete Speichern von Daten sind streng geregelt. So wurde eine datenschutzkonforme Lösung entwickelt.
Digitale Parkraumkontrolle spart Personal, macht unsere Straßen sicherer und ist ein echter Beitrag zur Digitalisierung im Verkehr. In Deutschland sind wir damit Vorreiter und lassen endlich Realität werden, was anderswo in Europa schon lange sehr gut funktioniert.
Wann und wie wird das LMG wirksam?
Das Gesetz ist am 29. März 2025 in Kraft getreten und setzt ein klares Zeichen für eine innovationsfreudige und nachhaltige Mobilität im Land.
Nach dem Inkrafttreten sollen nun Planungen und Entscheidungen mit Verkehrsbezug die Vorgaben des Gesetzes berücksichtigen. Manche Verbesserungen, zum Beispiel für den Fußverkehr, können bald im Straßenraum sichtbar werden. Neue Busspuren benötigen wohl etwas mehr Zeit.
Die Kommunen können und sollen die neuen Instrumente und Handlungsspielräume rasch nutzen. Darum arbeitet das Verkehrsministerium bereits jetzt mit ihnen an Umsetzungsfragen, wie beispielsweise zum Mobilitätspass und zur digitalen Parkraumkontrolle.