Der Online-Handel wächst jedes Jahr. Letztes Jahr wurden durch die Deutsche Post über 1,3 Milliarden Pakete verschickt – im laufenden Weihnachtsgeschäft werden Spitzenwerte erreicht. Die Logistikbranche ist also im Umbruch. Was heißt das für die Arbeitsbedingungen und wie könnte die Zukunft aussehen? Die Sprecherin für Arbeitnehmer*innenrechte der Bundestagsfraktion, Beate Müller-Gemmeke, im Interview.
Was sind die größten Probleme in der Logistikbranche?
Beate Müller-Gemmeke: Im Paketbereich gibt es schlechte Bezahlung und steigende Überlastung, weil die Pakete in der regulären Arbeitszeit häufig nicht zu schaffen sind. Darüber hinaus ist diese Branche geprägt durch Leiharbeit, Werkverträge, Scheinselbstständigkeit und ein schwer zu durchschauendes Geflecht von Sub- und Subsubunternehmen. Ganz schlimm wird es, wenn es sich um entsandte Beschäftigte aus osteuropäischen Staaten handelt. Sie arbeiten teilweise ohne Arbeitsvertrag, Kündigungsschutz und Sozialversicherung und häufig wird der Mindestlohn unterlaufen.
Was kann man dagegen tun?
Beate Müller-Gemmeke: Zentral wichtig sind effektive Kontrollen nach Schwarzarbeit. Das funktioniert aber nur mit einer höheren Kontrolldichte und dafür braucht es endlich mehr Personal. Wichtig wäre auch, dass die Kontrollinstanzen besser verzahnt arbeiten. Die vielfältigen Verstöße müssen auch zeitnah und konsequent geahndet werden. Dazu wären Schwerpunktstaatsanwaltschaften dringend nötig. Wenn zu wenig oder gar kein Lohn gezahlt wird, müssen die Betroffenen das selber einklagen. Und dabei brauchen sie unbedingt Unterstützung. Hier hilft nur ein Verbandsklagerecht für die Gewerkschaften, gekoppelt mit einem Gruppenverfahren, damit die Beschäftigten zu ihrem Recht kommen. Um zweifelhafte Werkvertragskonstruktionen und Scheinselbstständigkeit zu verhindern, müssen die Kriterien rechtssicher definiert werden. Die Generalunternehmerhaftung könnte geschärft werden, damit tatsächlich der Mindestlohn gezahlt wird. Auch ein Whistleblowergesetz zum Schutz der Beschäftigten würde helfen. Es gibt also viel zu tun, aber es fehlt der politische Wille.
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Beate Müller-Gemmeke: Die Digitalisierung kann auch in der Logistikbranche die Beschäftigten bei ihrer täglichen Arbeit entlasten und die Arbeitsbedingungen verbessern. Die Überlastung aber bleibt, wenn gleich wieder zu viel Personal abgebaut wird, weil sich die Spirale beim Preiskampf immer weiter dreht.
Ein Beitrag aus unserer Mitgliederzeitschrift zum Thema Arbeit: Grüne Blätter 3/2018: Ode an die Arbeit.