Der Wahlforscher Thorsten Faas erklärt, dass Wahlkampf bis zur letzten Minute Sinn macht, wieso Haustürwahlkampf wirkt und warum man mit Inhalten punkten kann. Nur bei der Frage nach dem Ergebnis am Wahlsonntag muss er passen.
Das Gespräch führte Steffen Becker für Grüne Blätter 3/2017: Bundestagswahl
Wie aussagekräftig sind Umfragen?
Die Rahmenbedingungen sind für Demoskopen schwieriger geworden – eine Methodik, die alleine auf das Anrufen von Festnetznummern baut, funktioniert kaum mehr. Auch die Teilnahmebereitschaft hat nachgelassen. Außerdem ist Wählerverhalten volatiler geworden. Wenn sich ein gutes Drittel der Menschen erst im Laufe des Wahlkampfs entscheidet, dann sind Umfragen viele Wochen vor der Wahl schwierig. Erst recht, wenn wir bedenken, dass veröffentlichte Umfragen selbst Änderungen im Wahlverhalten auslösen können. Vor diesem Hintergrund sind Umfragen spannend, aber nicht in Stein gemeißelt. Und eigentlich machen die Demoskopen das schon noch sehr gut.
Was macht einen erfolgreichen Wahlkampf aus?
Der Wahlkampf heute vereint Züge eines Sprints und eines Langstreckenlaufs. Klingt paradox, zeigt aber, wie schwierig das heute alles ist. Immer mehr Menschen machen Briefwahl, 2013 fast ein Viertel aller Wähler. Also muss man früh anfangen. 10 Prozent der Menschen entscheiden sich am Wahltag, also darf einem hinten raus nicht die Luft ausgehen. Und Grundsteine muss man eh ganz früh legen, damit man im Wahlkampf am Ende darauf aufbauen kann.
Welche Wahlkampfmittel funktionieren am besten?
Das ist die 100.000-Dollar-Frage – leider aber kaum seriös zu beantworten. Da alle Parteien über alle Kanäle gleichzeitig Botschaften verbreiten, noch dazu über Parteien hinweg höchst widersprüchlicher Art, kann man kaum seriös sagen, was diese Botschaft auf diesem oder jenem Kanal am Ende gebracht hat. Für Kontexte, die sich klar abgrenzen lassen, lässt sich aber sehr wohl eine Wirkung zeigen, etwa für Haustürwahlkampf oder ein TV-Duell.
Warum gilt in Zeiten von Online first Haustürwahlkampf als der heiße Scheiß?
Das wirkt nur wie ein Widerspruch, dabei kann man ja beides als Ausdruck des Bemühens sehen, aufdringlich zu sein. Auf beiden Wegen versuchen die Parteien Politik dorthin zu bringen, wo die Menschen sich von sich aus nicht so sehr dafür interessieren. In beiden Formaten werden Daten genutzt, um möglichst passgenau für die eigene Politik zu werben.
Welche Rolle spielen dabei die Spitzenkandidat*innen?
Das Paket macht‘s: Partei, Programm und Person müssen zueinander passen. Person ohne Programm passt ebenso wenig wie Programm ohne Person. Die Wissenschaft tut sich übrigens schwer damit, den Bedeutungsgewinn von Personen (im Sinne einer Personalisierung) nachzuweisen. Das schwankt von Wahl zu Wahl. Ein Hinweis darauf, dass es am Ende doch die Mischung macht.
Welche Themen nützen den Grünen?
Es muss vor allem darum gehen, grundlegende Wertvorstellungen der Menschen mit konkreten politischen Vorschlägen zu verbinden. Im Wahlkampf ist kein Platz für eine große Menge an Details.
Und wie geht die Wahl jetzt aus?
Sie wird am 24. September stattfinden. Alles andere ist durchaus offen, da sollte man den Menschen nicht einreden wollen, dass alles schon durch ist.
Ein Beitrag aus unserer Mitgliederzeitschrift zur Bundestagswahl: Grüne Blätter 3/2017: Zukunft kann man wollen. Oder machen.