Vor den Kommunalwahlen am 26. Mai stellen wir jede Woche beispielhaft eine Kandidatin oder einen Kandidaten unserer 400 grünen und grün-alternativen Listen vor. Den Auftakt macht Valentin Helling aus Wutöschingen im Landkreis Waldshut.
Wie wir in Zukunft lernen und Wissen austauschen: Diese Fragen beschäftigen Valentin Helling nicht nur bei seiner Arbeit als Lernbegleiter an der Wutöschinger Gemeinschaftsschule, sondern sie spielen auch für sein politisches und ehrenamtliches Engagement eine zentrale Rolle. Der 35-Jährige kandidiert auf Platz 3 der neuen grünen Liste für den Gemeinderat Wutöschingen. Sein Ziel ist es, Schule für das 21. Jahrhundert zu machen. Dafür arbeitet Valentin auch im Vorstand der gemeinnützigen Genossenschaft Materialnetzwerk, die Lernmaterialien kostenlos als Open Educational Resources veröffentlicht. Bald geht auch ein Tool online, mit dem Lehrerinnen und Lehrer eigene Unterrichtsmaterialien erstellen und teilen können.
Seit sieben Jahren leben Valentin und seine Frau in Wutöschingen, einer Gemeinde im Landkreis Waldshut, ganz im Süden von Baden-Württemberg. Vor kurzem haben sie einen Sohn bekommen. Valentin ist begeistert von der Offenheit und Aufgeschlossenheit der Wutöschingerinnen und Wutöschinger. Dieser Geist zeigt sich auch in der Alemannenschule: Die Gemeinschaftsschule ist eine der ersten in Baden-Württemberg, die eine gymnasiale Oberstufe einrichtet und damit ab 2022 zum Abitur führen wird. Mit ihren innovativen Lernkonzepten wurde die Schule sogar international zum Vorbild. Valentin, der sich auch in der Freizeit sehr für seine Schule engagiert und ein Jugendorchester leitet, möchte sich nun auch im Gemeinderat für seine Wahlheimat Wutöschingen einsetzen. Wir haben mit ihm darüber gesprochen.
Lieber Valentin, 2019 tritt das erste Mal eine grüne Liste bei der Gemeinderatswahl in Wutöschingen an. Ihr seid damit eine von 40 neuen grünen Listen im ganzen Land – das freut uns riesig. Wie ist es dazu gekommen?
Valentin: Die Initiative ging von Niklas Nüßle, dem Vorsitzenden des Kreisverbands und Ortsverbands von Bündnis 90/Die Grünen, aus. Schnell waren Interessierte gefunden, die gemeinsam eine grüne Liste aufstellten und klare Ziele formulierten.
Du bist Lernbegleiter an der Alemannenschule Wutöschingen, einer für ihre innovativen Ansätze bekannten Gemeinschaftsschule. Für welche Projekte für gute Bildung setzt du dich vor Ort ein?
Valentin: In den letzten sieben Jahren habe ich mein gesamtes berufliches und privates Leben der Bildung, genauer gesagt der Entwicklung unserer Schule, gewidmet und war hierfür viel im gesamten Bundesgebiet unterwegs. Und mit jedem Jahr verstehe ich immer weniger, wie wir in unserer Republik im Jahr 2019 noch immer Schule machen können, wie sie im Kern unsere Großeltern schon erlebten. Die Herausforderungen der Zukunft sind zu Teilen absehbar und machen sehr deutlich, dass das bisherige Bildungssystem dem nicht gerecht werden kann. Nur an Stellschrauben zu drehen, reicht längst nicht mehr aus. Trotzdem halten wir daran fest, ganz nach dem Motto „Früher hat es ja auch funktioniert“. Erschreckend ist hier insbesondere, dass bildungspolitisch rückwärtsgewandt gehandelt wird. Dass die Gesellschaft die Notwendigkeit eines fundamentalen Strukturwandels nicht erkennt, ist wohl dem tradierten „Wissen“ über Schule („Das muss so sein! Das war schon immer so!“) und psychologischen Mechanismen („Mir hat es auch nicht geschadet! Ich hab es auch durchgestanden!“) geschuldet. Das kann man nachvollziehen. Dass aber hochbezahlte Bildungspolitiker, die sich mit der Materie tagtäglich auseinandersetzen sollten, den drängenden Fragen zu verschließen scheinen und ihnen entgegengesetzt handeln, macht mich in Hinsicht auf die Zukunft unser aller Kinder und meines eigenen Kindes fassungslos. Hier müssen die Schulen und Eltern aufstehen und zeigen, dass es auch anders geht. Wir fordern den Wandel ein.
In Wutöschingen leben rund 6600 Menschen in fünf Dörfern. Wie bleibt die Lebensqualität auch auf dem Land am Puls der Zeit?
Valentin: „Industrie 4.0“, „Web 3.0“, „Internet der Dinge“ und viele andere Schlagwörter machen deutlich, was auch auf dem Land ein wesentliches Element für Lebensqualität – und überhaupt für das Überleben von Industrie und Handwerk – sein wird: der Breitbandausbau beziehungsweise der Ausbau des 5G-Mobilnetzes. Alle zukünftigen Entwicklungen – sei es im Bereich der Mobilität, dem Energiemanagement, dem Umweltschutz, der Bildung oder der Industrie – werden von schnellem Internet abhängig sein. Verlieren wir auf dem Land hier den Anschluss, können wir zukünftigen Anforderungen nicht mehr gerecht werden. Darüber hinaus wird die Frage nach der sozialen Gerechtigkeit auch auf dem Land eine zentrale Rolle für den Wohlstand unserer Gesellschaft und unserer Demokratie spielen. Die Politik ist in der Verantwortung, die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass wirklich jeder „gut und gerne“ in Deutschland – auch auf dem Land – lebt! Hier sehe ich momentan großen Handlungsbedarf. Ein Grund mehr, mich in der Gemeinde Wutöschingen dafür einzusetzen, dass die bisherigen durchweg positiven Entwicklungen und Bestrebungen fortgeführt werden.
Was magst du besonders gern an Wutöschingen?
Valentin: Meine Familie und ich fühlen uns einfach wohl in Wutöschingen. Obwohl weder meine Frau noch ich selbst aus Wutöschingen kommen, haben wir in den letzten sieben Jahren schnell Anschluss gefunden. Bei allen Anlässen fanden wir auch als Nicht-Wutöschinger schnell Kontakt und jeder, ganz egal ob Landwirt oder Bankdirektor, begegnete uns offen und immer hilfsbereit. Ein wesentlicher Faktor ist auch die unfassbar gute Leitung der Gemeinde durch unseren Bürgermeister Georg Eble und den gesamten Gemeinderat. Es ist wirklich bemerkenswert, wie umsichtig und weitblickend dort geplant wird und die Infrastruktur unseres kleinen Dorfes so gut ausgebaut wurde. Auf meinen Reisen durch Deutschland habe ich viele Gemeinden und deren Denk- und Arbeitsstrukturen kennengelernt – das lässt mich immer wieder zu dem Schluss kommen: Wir haben es dank vieler engagierter Gemeindemitglieder gut in Wutöschingen!
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