Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 10.11.2014
Es zeugt von großem Selbstbewusstsein der grünen Landespartei, der CDU, die im Südwesten stolze 59 Jahre lang regiert hat, in deren Hochburg den Kampf für die Landtagswahl 2016 anzusagen. „Niemand bestreitet, dass die CDU eine klassische Wirtschaftspartei ist. Shakespeare, Homer und Goethe sind auch Klassiker. Aber das heißt ja nicht, dass es danach keine Schriftsteller mehr gegeben hat“, sagte Ministerpräsident Kretschmann in seiner Rede zum grünen Leitantrag.
Südkurier vom 10.11.2014
Nicht nur die grünen Oberbürgermeister Fritz Kuhn in Stuttgart oder Boris Palmer in Tübingen künden von der Mehrheitsfähigkeit grüner Politikangebote. Die ambitionierte Parteitags- Botschaft der Grünen „Wir können auch Wirtschaft“ sollte auch auf einen politischen Gegner zielen, der Baden-Württemberg immer noch als Erbpachtgrundstück zu begreifen scheint – die CDU.
Stuttgarter Zeitung vom 10.11.2014
Bestätigt sehen durften sich die Grünen ein Stück weit von Hanns-Peter Knaebel, dem Vorstandschef der Aesculap-Werke mit 3200 Mitarbeitern in Tuttlingen. Knaebel streichelte die Delegierten in seiner Gastrede mit den Worten: „Ihre Ideen haben die Wirtschaft und das Land in den vergangenen Jahren weitergebracht.“ Ministerpräsident Winfried Kretschmann wusste dies zu schätzen.
Der Spiegel vom 10.11.2014
Vergangenen Donnerstag präsentierte die Grünen – Landesspitze ein zehnseitiges Papier für eine gute „grüne Wirtschaftspolitik“. Diese soll „das Potenzial der Marktwirtschaft für die ökologische Modernisierung nutzen“, heißt es in der Vorlage. Die Vorsitzende Thekla Walker sagt: „Wir wollen den wirtschaftlichen Erfolg des Bundeslandes für morgen und übermorgen sichern.“
Stuttgarter Nachrichten vom 10.11.2014
Cem Özdemir, der Grünen-Bundesvorsitzende mit schwäbischen Wurzeln, ist höchst angetan von seinen Parteifreunden im Südwesten: dieses Auftreten, diese Geschlossenheit, diese Offenheit für wirtschaftliche Themen! Davon könnten die Grünen ruhig mehr vertragen, meint Özdemir am Sonntag, am Tag zwei des heimeligen Grünen-Treffens in der Tuttlinger Stadthalle vor Journalisten. Soll heißen: Der Parteitag der baden-württembergischen Grünen ist zur Nachahmung empfohlen.
Südkurier vom 10.11.2014
Die politische Konkurrenz CDU blitzte in Tuttlingen nur durch. Winfried Kretschmann konterte den CDU-Vorwurf, er habe nur eine Regierungserklärung zur Wirtschaftspolitik gehalten. Er habe sich informiert. Seine drei Vorgänger Erwin Teufel, Günther Oettinger und Stefan Mappus hätten drei solche Regierungserklärungen gehalten. Zwei „mit genialer Weitsicht, EnBW-Anteile zu verkaufen“ und „eine mit der genialen Weitsicht, EnBW-Anteile zu kaufen“
Süddeutsche Zeitung vom 10.11.2014
Als Winfried Kretschmann seine zweite Rede begann, jene zum Thema Asyl, hatte der Parteitag die entscheidenden Weichen schon gestellt. Die Grünen wollen sich im heraufdämmernden Wahlkampf als Partei des Fortschritts profilieren. Sie versprechen Netzausbau und Datensicherheit. Sie verheißen, die digital gesteuerte Produktion ermögliche Wachstum ohne zusätzlichen Ressourcenverbrauch. Natürlich predigen sie „intelligente Mobilität“, aber sie scheuen sich nicht, Geld in ganz ordinäre Straßen zu investieren.
Badisches Tagblatt vom 10.11.2014
Auch bei einem weiteren Schwerpunkt, der Mobilität im Land, greifen die Grünen die Union an. Die habe „das Land auf Verschleiß gefahren“, tadelt der Grünen-Landesvorsitzende Oliver Hildenbrand angesichts des hohen Sanierungsbedarfs. Verkehrsminister Winfried Hermann, der im Land den Anteil des OPNV bis 2030 verdoppeln mochte, legte sich mit „den Bremsern“ beim Bund an: Er werde „alle Züge, die wir abstellen müssen, nach Finanzminister Schäuble nennen“.
Schwäbische Zeitung vom 10.11.2014
Selten gab es in der Vergangenheit grüne Landesparteitage, die so stark vom Konsens und so wenig vom Prinzipienstreit geprägt waren. Die Partei schart sich fast vorbehaltlos um ihren größten Aktivposten Winfried Kretschmann. Sie lässt ihn auch nicht bei der Debatte um den Asylkompromiss im Stich. Die Kritiker kamen in Tuttlingen noch einmal zu Wort, sie taten das fair. Aber Kretschmanns Appell nach vorne zu schauen, zog.
die tageszeitung vom 10.11.2014
Kretschmann erzählt von einer Begegnung im Flüchtlingswohnheim: Er habe einen Afrikaner kennengelernt, der Deutschland durch harte Arbeit zurückgeben wolle, was er an Hilfsbereitschaft erfahren hat. Aber wegen des Arbeitsverbots darf er nicht. Der Mann sei verdammt, tatenlos rumzuhocken. Künftige Flüchtlinge werden früher arbeiten dürfen. Das ist eine von mehreren Verbesserungen, die Kretschmanns Ja zum Asylkompromiss bedeutet. „Massive Verbesserungen, die wir seit Jahren erwogen haben“, sagt er. In Baden-Württemberg bekommt er dafür langanhaltenden Applaus.
Südwest Presse vom 10.11.2014
Es folgt eine sehr emotionale, persönliche Rede. Er habe das gemacht, weil er „massive Verbesserungen“ für den generellen Status der Flüchtlinge erreicht habe. Es gebe eine große Hilfsbereitschaft, „das ist aber auch fragil“. Er sei daher als Regierungschef auch gefordert, das Land in dieser Frage zusammenzuhalten. „Nur wer selber Kompromisse macht, kann auch von anderen welche erwarten.“ Sie habe großen Respekt vor dieser Entscheidung, erwidert eine Delegierte. „Dennoch finde ich sie nicht richtig“ Billig seien Rechte der Roma „verkauft“ worden. Es spiegelt die Tonlage der Debatte – hart in der Sache, aber ohne persönliche Angriffe. Am Ende folgt der Parteitag Kretschmann, 180 Delegierte stellen sich hinter den Leitantrag des Landesvorstands, vier enthalten sich, der Gegenantrag der Grünen Jugend (GJ) erhält 39 Stimmen.
Südkurier vom 10.11.2014
Und doch waren es nicht Grüne oder SPD, die den frühen Wahlkampf eröffneten.Es war die CDU, die den Startschuss gab durch die Kür eines Spitzenkandidaten eineinhalb Jahre vor der Wahl. Die CDU, mit einem Führungsvakuum konfrontiert, wurde unruhig. Vor allem in der Landtagsfraktion scharren sie mit den Hufen wie eine Herde Büffel. CDU-Landeschef Thomas Strobl schickte fast jeder Äußerung auf dem Grünen-Parteitag eine Pressemitteilung hinterher. Das zeugt von Nervosität.
Süddeutsche Zeitung vom 10.11.2014
Die CDU dagegen weiß drei Jahre nach dem Sturz von Stefan Mappus nur, dass sie bei der Wahl 2016 wieder zurück an die Macht will; aber was sie damit anstellen will, vermag sie noch nicht zu erklären. Etwas mehr als ein Jahr vor der Wahl ist von Wechselstimmung im Land nichts zu spüren. Deshalb wollen die Grünen nun im Handstreich den politischen Raum erobern, den die CDU derzeit nicht bespielen kann, die Mitte.