Bis raus vor die Tür standen die Besucherinnen und Besucher beim politischen Aschermittwoch in Biberach. 1200 Leute drängten sich in der Stadthalle und nicht nur der Schwäbischen Zeitung dürfte aufgefallen sein, „dass sich da auch grauhaarige Männer mit Schaufeln von Händen eingefunden haben, die wohl weniger am Laptop und mehr in der Landwirtschaft tätig sind. Und wahrscheinlich haben diese Schaufelhände jahre- wenn nicht jahrzehntelang auf dem Wahlzettel das Kreuz bei der CDU gemacht. So weit ist es also gekommen– müsste sich manch altgedienter Schwarzer voller Gram sagen. Ja, so weit ist es gekommen. Die Grünen geben sich als neu-bürgerliche Partei der Mitte und kommen damit an.“
Gastgeber und Lokalmatador Eugen Schlachter freute sich über die gut gefüllte Halle und war sichtlich stolz, wieder so viele politische Hochkaräter nach Biberach gelockt zu haben. In seiner Rede kritisierte der Vorsitzende der Raiffeisenbank Dellmensingen die CDU für ihre Rolle in der Finanzkrise. Sechs von sieben Landesbanken unter CDU-Regierungen seien fast pleite gegangen und Milliarden von Steuergeldern wurden versenkt. Den Sparkassenpräsidenten und Landtagsabgeordneten Peter Schneider nahm er dafür mit in die Verantwortung, „aber wenn Sie einer Partei angehören, die 50 Jahre regiert, dann werden Sie dafür halt nicht zur Rechenschaft gezogen“.
Die Landesvorsitzende Thekla Walker schoss in ihrer Rede scharf gegen die schwarz-gelbe Bundesregierung und appellierte an die Wähler, „dem närrischen Treiben des schwarz-gelben Karnevalsvereins im Herbst ein Ende zu setzen.“ Auch der Tiefbahnhof Stuttgart 21 bekam sein Fett weg: „Wir haben keinen Cent für Stuttgart 21 mehr übrig. Ich erwarte, dass die Bundesregierung das Projekt stoppt, wenn es nicht finanzierbar ist.“
Für ein unsinniges Projekt wie Stuttgart 21 will auch Renate Künast, Vorsitzende der Grünen Bundestagsfraktion, kein weiteres Geld ausgeben. Diese Konsequenz zieht sie auch aus eigenen Erfahrungen und teilt sie mit den Süddeutschen: „Was man aus Stuttgart 21 lernen kann: Schicke in Großprojekte Leute, die es können. Ich als Berlinerin weiß das.“
Die grüne Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt kommentierte das Versagen bei Infrastrukturgroßprojekten mit Galgenhumor: „Ich wollte einen Witz über den Berliner Flughafen machen, der Witz ist aber leider nicht rechtzeitig fertig geworden.“ „Man kann auch mit schwarzen Ideen rote Zahlen schreiben“, frotzelte die Bundestagsvizepräsidentin. Nur bei der FDP hat sie sich zurück gehalten und auf die humoristischen Kompetenzen bei den Liberalen selbst vertraut: „Wer böse Witze über die FDP hören will, der muss nach Karlsruhe fahren. Da spricht heute Dirk Niebel.“
„Man kann auch mit schwarzen Ideen rote Zahlen schreiben“
Ministerpräsident Winfried Kretschmann verzichtete fast völlig auf Seitenhiebe auf den politischen Gegner und thematisierte den Skandalisierungswahn in der Politik: „In einer Zeit, wo wir vor großen Herausforderungen und Krisen stehen, ist die Frage, ob wir alles und jeden skandalisieren müssen.“ Er wolle die Vorgänge nicht herunterspielen oder entschuldigen: „Aber bekommen wir durch Skandalisierung die wirklich wichtigen Probleme unserer Zeit gelöst?“ Für Kretschmann war es eine rhetorische Frage. „Nein“, antwortete er sich selbst. Viel besser fände er es, „wenn man sich um die Sache streitet“ – ohne Besserwisserei. „Denn die Besserwisser gehen mir schon manchmal auf die Nerven. Das ist halt so.“