Was älteren Autofahrern schon seit längerem an ihren Windschutzscheiben auffällt, bestätigen aktuelle Untersuchungen zum Insektensterben: Seit den 80er-Jahren sind 80 Prozent der Insektenbiomasse verschwunden – und das sogar in Naturschutzgebieten! Selbst bei bisher häufigen Wildbienenarten wurde ein Rückgang um 95 Prozent festgestellt. Droht uns der Stumme Frühling, vor dem Rachel Carson schon 1962 warnte?
Von Harald Ebner für Grüne Blätter 1/2017: Ökologie
Die Folgen des Insektenverschwindens sind katastrophal: Vögeln und vielen anderen Tiergruppen fehlt die Nahrung. Wildbienen und andere Insekten fehlen bei der Bestäubung sowohl von Wild- als auch Kulturpflanzen. Der Schutz von Insekten und Wildpflanzen, so hat es Winfried Kretschmann treffend ausgedrückt, ist daher „kein Rand- oder Modethema, sondern eine Menschheitsfrage“.
Wahrscheinliche Ursachen der dramatischen Entwicklung sind die Zerstörung von Lebensräumen wie Wiesen, fehlende Nahrung durch Blütenmangel in der Intensiv-Landwirtschaft und Pestizide. Auch deshalb ist eine grundlegende Agrarwende im Bund und in der EU dringend notwendig.
Immer mehr Studien deuten darauf hin, dass eine Insektizidgruppe namens Neonikotinoide (Neoniks) eine Schlüsselrolle beim Insektensterben spielt. Bereits 2008 verursachte einer der Stoffe (Clothianidin) am Oberrhein ein Bienenmassensterben. Schon in sehr niedrigen Konzentrationen beeinträchtigen Neoniks das Orientierungs- und Kommunikationsvermögen, den Bruterfolg und die Immunabwehr von Bestäubern. Zudem reichern sich einige der Wirkstoffe in Böden und mehrjährigen Pflanzen an.
Zwar gelten seit Dezember 2013 in der EU Anwendungsbeschränkungen für vier Wirkstoffe, doch die ausgebrachte Gesamtmenge der Gifte ist dennoch kaum zurückgegangen, wie Grüne Anfragen im Bundestag ergeben haben. Zudem klagen Bayer, BASF und Syngenta sogar gegen die Teilverbote und stellen damit das EU-Vorsorgeprinzip in Frage. Insektenexperten auch aus Baden-Württemberg fordern dagegen einen vollständigen Bann der Neoniks, wie es für Frankreich ab 2018 beschlossen wurde.
Auch die Umweltminister der Bundesländer haben einen besseren Bestäuberschutz vor diesen Giften angemahnt. Doch Agrarminister Schmidt lehnt weitere Beschränkungen ab und lobt sich stattdessen lieber selbst für Symbolpolitik wie Bienen-Apps. Auch bei der Umschichtung von Agrargeldern hin zu Ökolandbau und Agrarumweltmaßnahmen oder Beschränkungen für Glyphosat steht die Bundesregierung auf der Bremse. Wir Grüne setzen dagegen eine Milliarde Euro für den Ausbau des Ökolandbaus, einen Ausstieg aus Neoniks und Glyphosat und eine echte Neuaufstellung der EU-Agrarpolitik.
Ein Beitrag aus unserer Mitgliederzeitschrift zum Thema Ökologie: Grüne Blätter 1/2017: Ein Fuchs muss tun, was ein Fuchs tun muss