Der brutale Polizeieinsatz gegen Stuttgart 21-GegnerInnen am Schwarzen Donnerstag war politisch beeinflusst. Davon ist Uli Sckerl überzeugt. Interview mit dem Obmann der Grünen im Untersuchungsausschuss.
Wie sieht eine erste Zwischenbilanz der Grünen nach sechs Sitzungen und fast 40 Zeugen aus?
Der Polizeieinsatz ist politisch beeinflusst worden. Der Beweis ist bei den Akten: Eine Protokollnotiz von einer Unterredung des Ministerpräsidenten und der Umweltministerin mit Polizeiführern. Darin steht, Mappus erwarte ein „offensives Vorgehen gegen Baumbesetzer, keine Verfestigung“. Weiter wird der schnellstmögliche Termin für die Baumfällarbeiten gefordert, nämlich unmittelbar nach Ende der Wachstumsperiode. Und das war eben der 1. Oktober.
Hast Du mit einem so eindeutigen Beweis gerechnet?
Nein, so offen haben wir das nicht erwartet. Wir wussten aber schon, dass vor dem 30. September von der Politik eine klare Erwartungshaltung formuliert worden war. Der Ton wurde verschärft, alles klare Signale an die Polizei. Aber ein derart eindeutiger Beweis in den Akten war schon überraschend.
Was brachte der Ausschuss an weiteren neuen Erkenntnissen zu Tage?
Es gibt sehr überzeugende Hinweise dafür, dass der Polizeieinsatz weit überzogen und unverhältnismäßig war. Die Einsatzleiter der Polizei aus den anderen Bundeländern legten eindrucksvoll dar, wie chaotisch dieser Einsatz vorbereitet war. Einsatzhundertschaften kamen zu spät, waren uninformiert und orientierungslos. Sie wussten zum Teil nicht einmal, warum sie nach Stuttgart fahren.
Und die Zeugen?
Die Stuttgarter Bürgerinnen und Bürger, die wir als Zeugen berufen hatten, äußerten sich eindeutig. Die große Masse der Demonstranten im Schlosspark hat sich völlig friedlich verhalten. Wir werden nicht zulassen, dass CDU und FDP im Untersuchungsausschuss vom Versammlungsrecht geschützte friedliche Sitzblockaden und deren Teilnehmer kriminalisieren. Am Nachmittag des 30. hat es dann auch von Demonstrantenseite einzelne Übergriffe und Gewalttätigkeiten gegen Polizisten gegeben, die wir verurteilen, egal, ob es um Pyrotechnik oder Flaschen geht. Aber die Zeugen, insbesondere der Katholische Stadtdekan Brock haben deutlich gemacht: Auslöser für die Eskalation der Gewalt war nicht ein gesetzwidriges Verhalten der Demonstranten. Sigrid Klausmann-Sittler und Wolfgang Schorlau haben dies mit eindrucksvollen Schilderungen des Geschehens nachvollziehbar und glaubhaft bestätigt.
Gab es weitere Überraschungen?
Es überrascht eben sehr, dass beim Polizeieinsatz von den Verantwortlichen derart schwere Fehler begangen wurden. Es gibt im Übrigen Hinweise, dass Meinungsverschiedenheiten bei Politik und Polizeiführung entscheidend zu dem chaotischen Einsatz beitrugen. Noch am Vortag gab es Kontroversen, ob der Einsatz am 30. stattfinden soll. Der ranghöchste Polizist des Landes, Landespolizeipräsident Dr. Hamann, hat in einer E-Mail an Mappus, Rech und Stumpf dringend von dem Einsatz abgeraten und für eine Verschiebung plädiert. Unklar ist, warum diese Warnung ignoriert wurde und wer die letztendliche Entscheidung für den Einsatz am 30.9. ab 10 Uhr morgens getroffen hat. Das müssen Landesregierung und Polizeiführung lückenlos beantworten.