Die baden-württembergischen Grünen stellen der schwarz-gelben Landesregierung zum Schuljahresende ein schlechtes Zeugnis für ihre Schulpolitik aus. „Unser Schulsystem ist hochgradig sozial ungerecht, produziert viel zu viele Bildungsverlierer und blockiert jede innovative Schulentwicklung vor Ort. Anstatt Reformen einzuleiten, zementiert die Landesregierung das überkommene dreigliedrige Schulsystem. Für ihre Bildungspolitik erhält die Regierung Mappus die Note mangelhaft und wird im nächsten Jahr bei der Landtagswahl nicht versetzt“, sagte der Grünen-Landesvorsitzende Chris Kühn.
An der Bildungsmisere habe sich auch durch die neue Kultusministerin Marion Schick nichts geändert. „Mit Schick hat die veraltete Schulpolitik lediglich eine neue, attraktivere Verpackung erhalten. Die Professorin aus Bayern mag rhetorisch versierter sein als ihr Vorgänger, aber sie hat keinen einzigen neuen Akzent gesetzt.“ So habe sie keinerlei Antwort darauf, dass die Chancen eines Facharbeiterkindes, ein Gymnasium zu besuchen, im Südwesten 6,6 mal niedriger seien als für ein Akademikerkind. Stattdessen verhindere Schick jeglichen bildungspolitischen Erneuerungswunsch von unten. „Es ist ein Skandal, dass die Landesregierung jeder innovativen Schulentwicklung jenseits des dreigliedrigen Schulsystems den Riegel vorschiebt, auch wenn diese von den Eltern und allen anderen Beteiligten vor Ort gewünscht wird.“
Werkrealschule ist Mogelpackung
Außerdem habe Schick die völlig überstürzte Werkrealschulreform vehement vorangetrieben und preise diese als gelungenes pädagogisches Konzept anstatt sie kritisch zu hinterfragen. „Faktisch ist die neue Werkrealschule eine Mogelpackung und ein Schulschließungsprogramm im ländlichen Raum. Die Werkrealschule hat keine Akzeptanz bei den Eltern und eröffnet den Schülerinnen und Schüler keine besseren Perspektiven. Das gilt umso mehr, als durch die Notenhürde nach der neunten Klasse die Auslese noch verschärft wird. Zudem kommt es durch die vorgeschriebene Zweizügigkeit der Werkrealschulen zu einem massiven Hauptschulsterben im ländlichen Raum.“
Turbo-Gymnasium reformieren
Die Grünen kritisieren auch, dass die Landesregierung sich einer Reform des achtjährigen Gymnasiums verweigere. „Die Einführung des Turbo-Gymnasiums hat die zeitliche Belastung und den psychischen Druck der Kinder massiv erhöht. Dennoch ist die Landesregierung nicht bereit, den Korrekturwünschen der Eltern entgegenzukommen.“ Die Grünen unterstützen die Forderung des Landeselternbeirats, eine Wahlmöglichkeit für ein neunjähriges Gymnasium einzuführen. „Wenn es alle Beteiligten vor Ort wollen, sollte auch ein G9-Zug zugelassen werden. Das würde die ersten Gymnasialjahre zeitlich entzerren und mehr Chancengerechtigkeit schaffen. Die Landesregierung darf nicht länger an starren, von oben gesteuerten Einheitsmodellen festhalten, sondern sollte dort, wo es von unten gewünscht wird, auch andere Modelle zulassen. Außerdem müssen die Inhalte und Lehrpläne beim G8 entschlackt und das Gymnasium zu einer echten Ganztagsschule mit einem rhythmisierten pädagogischen Konzept ausgebaut werden.“
Für einen bildungspolitischen Aufbruch
Die baden-württembergischen Grünen forderten einen neuen bildungspolitischen Aufbruch im Land. „Wir müssen Schule neu denken. Nicht die Kinder sollten der Schule angepasst werden, sondern die Schule den Kindern. Deshalb muss endlich ein Schwerpunkt auf die individuelle Förderung jedes einzelnen Kindes gelegt werden. Die Aufteilung von Kindern nach der vierten Klasse steckt Zehnjährige in Schubladen und vergeudet Talente.“ Kühn spricht sich deshalb für eine neunjährige Basisschule für alle Kinder aus, die überall dort eingeführt werden soll, wo das die Schulträger und die Eltern vor Ort wollen. „In der gemeinsamen Basisschule werden mit neuen Lernformen die Begabungen aller Schülerinnen und Schüler individuell gefördert. Die Spitzenleistungen der skandinavischen Schulen zeigen, dass davon die schwächeren Schüler ebenso profitieren wie die Leistungsstarken.“
Eine solche bildungspolitische Modernisierung bringe nicht nur die einzelnen Schülerinnen und Schüler voran, sondern das ganze Land, so Kühn. „Denn in Zeiten der Globalisierung und des drohenden Fachkräftemangels ist eine gute Bildungspolitik die beste Wirtschaftsförderung.“