Mit 20 Prozent befinden sich die Grünen in einem Höhenflug wie noch nie. Wäre es Ihnen nicht am liebsten, wenn die Landtagswahl jetzt sofort wäre?
Krebs: Ja, das wäre nicht schlecht. Am liebsten gleich Bundes- und Landtagswahl. Das ist eine klasse Sache. Das sind zwar Umfragewerte und keine Wahlergebnisse. Trotzdem glaube ich nicht, dass das ein einmaliger Höhenflug ist. Denn die Zustimmung für uns wächst schon länger, es wachsen auch die Mitgliederzahlen. Das sind alles Zeichen, dass es nicht eine momentane Sache ist, sondern eine ein stabiler Trend.
Ist das nicht eine geliehene Stärke, die aus der Schwäche der bürgerlichen Bundesregierung kommt?
Krebs: Dass Schwarz-Gelb vieles zu den Umfragewerten beiträgt, ist kein Geheimnis. Aber es ist sicher nicht die alleinige Ursache. Schon bei der baden-württembergischen Kommunalwahl gingen der CDU in der Substanz Stimmen verloren.
Wie wollen sie die Stimmung bis zur Landtagswahl im März 2011 konservieren?
Krebs: Wir müssen da gar nichts konservieren. Die Grünen profitieren von Themen wie dem Klimaschutz oder dem ökologischen Umbau der Wirtschaft. Die sind jetzt in der Gesellschaft angekommen und bleiben wichtig. Uns wird zu gute gehalten, dass wir diese Dinge schon länger im Visier haben.
In Hamburg haben die Bürger dem längeren gemeinsamen Lernen eine Absage erteilt. Setzen Sie weiter auf eine neunjährigen Gemeinschaftsschule?
Krebs: Wir müssen unsere Position nicht ändern. In einem Flächenland braucht es eine andere Einführungsstrategie wie in einem Stadtstaat. Deshalb haben wir schon immer gesagt, dass die Schulen vor Ort die Freiheit für eigene Entwicklungen brauchen. Viele Schulen in Baden-Württemberg würden gerne mehrere Abschlüsse anbieten, aber das Kultusministerium schaltet auf stur. Wir wollen das Schulsystem von unten her gemeinsam mit den Betroffenen reformieren. Mit diesem Kurs laufen wir nicht gegen Windmühlen an.
…und was ist mit der neunjährigen Gemeinschaftsschule?
Krebs: Wir wollen die Möglichkeit für die Schulen eröffnen, solche Angebote zu machen. Gerade für den ländlichen Raum wäre das ein wichtiger Weg, um vor Ort eine tragfähige Schulstruktur zu erhalten. Stattdessen verschärft die Regierung das Schulsterben mit der Einführung der Werkrealschule. Zudem müssen die Schulen in die Lage versetzt werden, ihre Schüler individuell zu fördern.
Bisher haben die Grünen in Baden-Württemberg gerne mit den Schwarzen geflirtet. Jetzt erkaltet die Liebe gerade bei der CDU. Wie ist die Temperatur bei den Grünen?
Krebs: Eine Liebe zur CDU gab es nie. Wir freuen uns, dass es jetzt wirklich mehrere Optionen gibt und Rot-Grün in Baden-Württemberg eine realistische Option ist. Das finden wir sehr schön so. Nach der Wahl werden wir die Koalitionsfrage anhand von Inhalten entscheiden. Es liegt an der CDU, ob sie eine vorwärtsgewandte Politik machen oder eine konservative Trutzburg bauen will.
Spannend wird das ja erst, wenn es für Rot-Grün nicht reicht…
Krebs: Ich glaube, dass das Wahlergebnis auf jeden Fall eines der spannenderen in Baden-Württemberg wird. Das mit den Mehrheiten werden wir dann sehen.
Stuttgart 21 stärkt die Grünen in Stuttgart. Wie stark beschäftigt das Thema die Wähler in anderen Landesteilen?
Krebs: Im Land haben die Leute länger gebraucht, die Verbindung herzustellen. In Freiburg, wo ich wohne, und in ganz Baden ist das Thema inzwischen sehr hoch angesiedelt. Die Bürger wissen, dass durch die Milliarden für Stuttgart 21 die Luft für andere Bahnprojekte und einen guten Bahnverkehr in der Fläche dünner wird. So ist der Ausbau der Rheintalbahn ist von seiner verkehrspolitischen Bedeutung viel größer.
Verkehrsministerin Tanja Gönner lehnt eine Bürgerbefragung aus rechtlichen Gründen ab?
Krebs: Vielleicht ist ein Bürgerentscheid nicht mehr möglich. Eine Bürgerbefragung geht immer. Wenn die Befürworter so von Stuttgart 21 überzeugt sind, sollen sie sich dafür die direkte Legitimation von den Bürgern holen.
Was könnte denn ein Moratorium bringen – außer den Grünen Stimmen bei der Landtagswahl?
Krebs: Ein Moratorium wäre wichtig, um Zeit zu gewinnen für eine faire Debatte und eine Entscheidung der Bürger. Wenn die Fakten geschaffen sind, brauchen wir die Mehrheiten unter den Bürgern nicht mehr zu überprüfen.
Das Interview führte Peter Reinhardt.
Quelle: Mannheimer Morgen