Winne Hermann startet mit einem guten Gefühl in den Tag. „Wenn ich morgens den Berg runter rolle, mir der Wind um die Ohren pfeift, denke ich jedes Mal: Das Rad ist eine tolle Erfindung.“ Seine Zufriedenheit steigt, wenn er im Landtag entspannter ankommt als die Kollegen in ihren Limousinen. Außerdem sei es ein super Gefühl, per E-Antrieb ohne Mühe Steigungen zu überwinden und sich trotzdem zu bewegen.
Von Steffen Becker für Grüne Blätter 2/2017: Mobilität
Als Minister hat er als erstes eine Radkampagne gestartet: Die beste Förderung ist ein besseres Image. Erst dann werde etwa der Bau von Radschnellwegen Erfolg bringen. Im Kampagnen-Film treten Pendler, Eltern, Touristen in die Pedale, kombiniert mit Begriffen wie „Freiheitsdrang“, „Bauchgefühl“ oder „Heimatliebe“. Bei ihren Aktionen setzt die „Radkultur“ auf „Freude am Fahren“. Das spricht auch die an, die der Klimaschutz nicht vom Autositz reißt. Den größten Effekt bringt es, wenn die nachhaltige Mobilität zur neuen Normalität wird – so Winnes Erfahrung. Wenn man als Alltagsradler weder Freak noch Held ist. In den Niederlanden hat er festgestellt: In den Städten fahren auch Krawatten-Banker Rad. In Städten wie Zürich, die früh auf ÖPNV gesetzt haben, sieht man die gleichen Leute in der Tram. Effekt: Innenstädte mit höherer Lebensqualität und breite Unterstützung für entsprechende Maßnahmen der Politik.
Ein neues Lebensgefühl bewegt die Verkehrspolitik
Das Lebensgefühl der Menschen leitet Winnes Politik. Seine Tochter fährt etwa gerne Bus, um sich mit ihren Mitschülerinnen zu treffen. Bei der Förderung von Fahrzeugen oder der Ausschreibung von Nahverkehr spielt W-LAN immer eine Rolle. Für junge Menschen Bedingung für Wohlbefinden – sie werden nicht nur befördert, sondern nutzen die Zeit mit Arbeit oder Entertainment. Dieses Lebensgefühl nutze auch beim Transformationsprozess des Automobils. „Mir erzählen Automanager, dass sich ihre Kinder oft kein eigenes Fahrzeug mehr wünschen“. Für ihre Selbstverwirklichung sei die digitale Welt wichtig. Mietsysteme wie die E-car2gos in Stuttgart finden sie praktischer – und der E-Antrieb macht in der Stadt auch mehr Spaß.
Damit funktionieren alte Werbeklischees, wie „kauf ein Auto, sei dein eigener Herr“ nicht mehr. Für die Zukunft des autonomen Fahrens muss sich die Industrie einen anderen emotionalen Zugang einfallen lassen. Einfach zu buchen oder zu bedienen, eine Verlängerung des Smartphones. Damit gewinne man die Herzen der Digital Natives. Nebeneffekt: Auch Autofahren wird „normaler“ – mit dem Auto als gleichberechtigter und eben nicht bevorzugter Verkehrsteilnehmer.
Ein Beitrag aus unserer Mitgliederzeitschrift zum Thema Mobilität: Grüne Blätter 2/2017: Wir wollen mehr erreichen