Die Themen „Grüne Wirtschaftspolitik“ und „Nachhaltige Mobilität“ für Baden-Württemberg stehen im Zentrum des Landesparteitags in Tuttlingen (Samstag und Sonntag, 8. und 9. November). Ministerpräsident Winfried Kretschmann spricht über die Chancen der Digitalisierung; Gastredner ist der Vorstandsvorsitzende des Weltkonzerns Aesculap AG, Dr. Hanns-Peter Knaebel. Ebenfalls auf der Tagesordnung steht eine ausführliche Debatte über die Herausforderungen der Asyl- und Flüchtlingspolitik.
Nachhaltigkeit und Innovation – Grüne Wirtschaftspolitik für Baden-Württemberg
Nachhaltigkeit und Innovation sind für Bündnis 90/Die Grünen die Schlüssel für wirtschaftlichen Erfolg und Wohlstand. „Die ökologische Modernisierung der Wirtschaft ist deshalb das Leitmotiv unseres Leitantrages zu Grüner Wirtschaftspolitik für Baden-Württemberg“, betont die Grünen-Landesvorsitzende Thekla Walker. In Umwelttechnologien, innovativen Produkten und Dienstleistungen für Klimaschutz, Energie- und Ressourceneffizienz liege für die Unternehmen des Landes die wichtigste Chance, sich auch zukünftig im nationalen und internationalen Wettbewerb zu behaupten. „Die Zeichen für die ökologische Modernisierung stehen gut“, sagt Walker. Denn gerade dieUnternehmen im Südwesten seien häufig Vorreiter bei „grünen“ Technologien underwirtschafteten damit Umsätze in Milliardenhöhe. „Die Kreativität und die Leistung, dieUnternehmer und Beschäftigte in unserem Land aufbringen, verdient unsere Anerkennung“, betont die Grünen-Landeschefin. „Wir wollen sie alle für das gewaltige Projekt der ökologischen Modernisierung gewinnen: die Big-Player, die kleinen und mittleren Unternehmen, die Handwerker ebenso wie die Bürgergesellschaft, ohne die der Wandel nicht gelingen kann“. Denn die ökologische Modernisierung lasse sich nicht verordnen; vielmehr setze sie Austausch, Dialog auf Augenhöhe und wechselseitiges Verständnis und Wertschätzung voraus. „Genau dafür steht Grüne Wirtschaftspolitik für Baden-Württemberg.“Mit einer „Politik des Ermöglichens“ will Grüne Wirtschaftspolitik dabei für ein leistungsförderndes Spannungsverhältnis sorgen zwischen den notwendigen ökologischen Leitplanken durch die Politik und der individuellen Entscheidungsfreiheit, wie die Modernisierung gestaltet werden kann. „Wir Grünen meinen es ernst mit der Bewahrung der natürlichen Lebensgrundlagen und mit dem Ziel einer nachhaltigen, klimafreundlichen und ressourcenschonenden Wirtschaft“, betont die Grüne-Landesvorsitzende Thekla Walker.
Für Thekla Walker bietet die digitale Revolution beste Chancen für innovative Produkte und Dienstleistungen, neue Geschäftsmodelle und Beschäftigung, aber auch für eine massive Beschleunigung der ökologischen Modernisierung: „In den Fabriken von morgen werden durch den digitalen Wandel gewaltige Produktivitätsvorsprünge möglich sein, die auch mit Einsparungen bei Ressourcen und fossilen Rohstoffen einhergehen.“ Digitale Datenverarbeitung mache Prozess-Schritte überflüssig, beseitige Energiefresser und optimiere Wertschöpfungsketten. Zentraler Schwerpunkt einer nachhaltigen Wirtschaftspolitik ist deshalb laut Walker auch, dass Wohlstand nicht länger mit einem Mehr an Ressourcenverbrauch zusammenhänge: „Den Bemühungen um die Energiewende wollen wir genauso intensive Bemühungen um eine Ressourcenwende zur Seite stellen.“ Ressourceneffizienz, Kreislaufwirtschaftsansätze, Wiederverwertung und die Ökonomie des Teilens (share economy) seien hier die zentralen Stichworte. „Daraus ergeben sich in Verbindung mit der Digitalisierung niedrigerer Material und Energieaufwand für die Unternehmen und dementsprechend sinkende Kosten“.
Grüne Wirtschaftspolitik für Baden-Württemberg will:
- Im Dialog und auf Augenhöhe mit Unternehmen und der Bürgergesellschaft die ökologische Modernisierung vorantreiben.
- Den digitalen Wandel als Chance begreifen und Unternehmen, Verwaltung, Bildungs- und Forschungseinrichtungen bei den Herausforderungen unterstützen.
- Baden-Württemberg zum Top-Standort für Informations- und Kommunikationstechnologie entwickeln.
- Die Digitalisierung auf Basis der Energiewende und Green-IT-Strategien zum Katalysator der ökologischen Modernisierung machen.
- Das Land zu einer der ressourceneffizientesten Regionen weltweit machen.
- Mit der Umstellung auf eine Kreislaufwirtschaft den Ressourcenverbrauch reduzieren.
- Für eine gute Verkehrsinfrastruktur sorgen, dabei den Schwerpunkt auf den Erhalt des Bestehenden und Ausbau des öffentlichen Verkehrs setzen.
- Den Ausbau des Breitbandnetzes konsequent vorantreiben.
- Gemeinwohlorientierte Initiativen und Ansätze der Ökonomie des Teilens (share economy) als soziale Innovationen für eine nachhaltigere Wirtschaft unterstützen.
Nachhaltige Mobilität – Gut fürs Land, gut fürs Klima, gut für die Menschen
Klimaschutz und Nachhaltigkeit sind die Leitgedanken Grüner Mobilitätspolitik in Baden- Württemberg. „Ziel ist es, die Mobilität im Land bis 2050 klimaneutral und nachhaltig zu gestalten“, erklärt der Grünen-Landesvorsitzende Oliver Hildenbrand. „Dabei wollen wir dieses wichtige Zukunftsfeld mit den Menschen im Land gemeinsam gestalten.“ Grundlage für eine an der Nachhaltigkeit orientierten Verkehrspolitik sei eine verlässliche und zukunftsfähige Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur. „Wir haben mit der Politik von CDU und FDP Schluss gemacht, die Baden-Württemberg auf Verschleiß gefahren haben“, betont Hildenbrand. Grün-Rot habe den Schwerpunkt auf „Erhalt vor Neubau“ gelegt – dadurch sei deutlich mehr Geld in den Erhalt der Verkehrsinfrastruktur geflossen. Grüne Mobilitätspolitik setzt laut Hildenbrand ganz klar auf Wachstum und Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV). „Wir wollen die Fahrgastzahlen in Baden- Württemberg bis 2030 verdoppeln. Alle größeren Ortschaften im Land sollen an den Wochentagen von fünf Uhr bis Mitternacht stündlich angebunden sein.“ Mit innovativen Angebotsformen, E-Ticketing, Echtzeitinformationen, elektronischer Anschluss-Sicherung und neuen bedarfsgesteuerten System soll der ÖPNV für die Nutzer attraktiver werden.
Gemeinsam mit den Kommunen treibe das Land auch den Ausbau wichtiger ÖPNV-Projekte voran. Auch im ländlichen Raum solle der Schienenverkehr gestärkt werden. „Keine andere Landesregierung in Deutschland engagiert sich in diesem Umfang für den Ausbau der Schiene. Das Land hat geliefert. Jetzt muss der Bund endlich seiner Verantwortung für eine solide Finanzierung nachkommen“, fordert der Grünen-Landeschef. Nach wie vor großen Nachholbedarf sehen die Grünen beim Fuß- und Radverkehr, „um den von der CDU durch eine ideologische und rückwärtsgewandte Verkehrspolitik verursachten Rückstand zu anderen Bundesländern aufzuholen“, sagt Hildenbrand. Das Radwegenetz in und zwischen den Kommunen soll ausgebaut und der Radverkehr dadurch verdoppelt werden. Auch zu Fuß sollen die Menschen besser vorankommen – mit Hilfe von intelligenter Stadtplanung und kurzer, barrierefreier Wege.
Grüne Innovationen für das Klima sind für Oliver Hildenbrand auch ein Schlüssel für die Zukunftsfähigkeit der Automobilindustrie im Land. „Wir wollen Baden-Württemberg gemeinsam mit der Automobilindustrie zum internationalen Pionierland für nachhaltige Mobilität machen“, betont der Grünen-Landesvorsitzende.
Grün ins neue Mobilitätszeitalter – dazu wollen wir bis zum Jahr 2020:
- Einen Stundentakt im öffentlichen Verkehr für alle größeren Ortschaften. Machbar ist dies durch eine auskömmliche Finanzierung von Bus und Bahn, die Raum und Anreiz für den Ausbau nachhaltiger Mobilität gibt.
- Eine Verdopplung der Infrastrukturmittel des Landes für den Radverkehr. Doppelt so viele Radfahrerinnen und Radfahrer brauchen Raum und sichere Wege.
- Starke Anreize für E-Mobilität und Car-Sharing setzen. Ziele sind 200 000 Elektroautos, 100 000 privilegierte Parkplätze und 2 000 öffentliche Ladesäulen im Land ein realistisch dimensioniertes Straßennetz, das im ganzen Land in einem guten Zustand ist.
- Ein Schienennetz, das neben mehr Zügen im Personenverkehr auch eine Verdopplung des Schienengüterverkehrs zulässt.
Grüne Asyl- und Flüchtlingspolitik
In seinem Leitantrag zur Asyl- und Flüchtlingspolitik fordert der Grünen-Landesvorstand die Bundesregierung auf, für weitere Verbesserungen für Flüchtlinge zu sorgen. Dazu müsse das Asylbewerberleistungsgesetz abgeschafft werden. Asylsuchende könnten dann soziale Leistungen beanspruchen und erhielten endlich Zugang zu medizinischer Versorgung, betont Landesvorsitzender Oliver Hildenbrand: „Das würde auch die Länder und Kommunen erheblich entlasten.“
Während das Land vor dem Hintergrund der steigenden Flüchtlingszahlen seine Leistungen an die Kommunen deutlich erhöht habe und die Erstaufnahmekapazitäten ausbaue, lasse die Bundesregierung Länder und Kommunen im Regen stehen, erklärt Hildenbrand. Dabei gehe es nicht nur um menschenwürdige Unterkunft und Versorgung, sondern auch darum, Schutzsuchenden ein selbstbestimmtes Leben in Deutschland zu ermöglichen. Vom ersten Tag an sollten Flüchtlinge daher Sprach- und Integrationskurse besuchen dürfen; auch der Zugang zum Arbeitsmarkt müsse zwingend vereinfacht werden. Hildenbrand: „Wir wollen, dass Flüchtlinge und Asylbewerber schnellstmöglich arbeiten dürfen. Die bürokratische und diskriminierende Vorrangprüfung gehört ebenso abgeschafft wie das allgemeine Betätigungsverbot für Asylbewerber.“
Eine besondere Verantwortung sieht der Grünen-Landesvorstand gegenüber den Roma. Die grün-rote Landesregierung habe einen Staatsvertrag mit Sinti und Roma geschlossen mit dem Ziel, die Lebensbedingungen dieser Minderheit zu verbessern. Unter anderem werden jährlich 500 000 Euro für Bildungs- und Kulturprojekte bereitgestellt; mit Mitteln der Baden- Württemberg-Stiftung werden Kinder dieser Minderheit in Rumänien unterstützt. Die klare Aufforderung an die Bundesregierung lautet, endlich Druck auf diejenigen Staaten auszuüben, die Roma ausgrenzen und diskriminieren. Menschenrechte und rechtsstaatliche Regeln müssten eingehalten werden.
„Wir Grüne sind und bleiben Anwälte der Flüchtlinge“, betont Grünen-Landeschef Oliver Hildenbrand. Bei den Verhandlungen mit der Bundesregierung konnten konkrete Verbesserungen für Flüchtlinge erreicht werden – die Lockerung der Residenzpflicht, der erleichterte Zugang zum Arbeitsmarkt und die Abschaffung des Sachleistungsprinzips. „Für diese und weitere Verbesserungen haben wir Grüne uns gemeinsam mit den Flüchtlingsverbänden immer stark gemacht“, erklärt Hildenbrand. Gleichwohl lehnten die Grünen in Baden-Württemberg das Konzept der Sicheren Herkunftsländer, das an den Kompromiss geknüpft war, weiterhin als grundfalsch ab. „Das Asylrecht ist und bleibt für die Grünen ein individuelles Schutzrecht. Unser Einsatz für den Schutz und die Rechte von Flüchtlingen geht weiter. Die im Bundesratsverfahren erreichten Verbesserungen sind ein Schritt in die richtige Richtung. Aber ihnen müssen weitere folgen.“
Grüne Asyl- und Flüchtlingspolitik will:
- Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes. Kommunen werden dadurch entlastet; Asylsuchende werden sozial gleichgestellt und erhalten Zugang zu medizinischer Versorgung.
- Weitere Lockerung beim Zugang zum Arbeitsmarkt – die Vorrangprüfung muss weg.
- Verbesserte Sprach- und Integrationskurse.
- Dringende Verbesserung der Menschenrechtssituation und Lebensbedingungen, insbesondere die der Roma, durch nationale und europäische Initiativen.