„Die Finanzierungsverträge zu Stuttgart 21 und zur Neubaustrecke sind nichtig“, sagte der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Landtag Winfried Kretschmann bei der Vorlage eines Rechtsgutachten zu den „Finanzverfassungsrechtlichen Fragen des Stuttgarter Bahnkonflikts“ des renommierten Verfassungsrechtlers Professor Hans Meyer von der Humboldt Universität Berlin. Kretschmann: „Daraus folgt, dass der Anteil des Landes eindeutig verfassungswidrig geleistet wurde.“
Meyer machte deutlich, dass der Schienenausbau eindeutig Bundesangelegenheit sei. „In der Konsequenz bedeutet die Mitfinanzierung von Stuttgart 21 und der Neubaustrecke durch das Land einen groben Verstoß gegen die Verfassung. Die Mitfinanzierung verstößt gegen Art. 104a Abs. 1 GG, wonach der Bund und die Länder jeweils gesondert die Ausgaben, die sich aus der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ergeben, selber finanzieren müssen.“ Auch angeblich übergeordnete Interessen wie wirtschaftliche Auswirkungen des Projekts auf Region und Land dürften in dieser Frage keine Rolle spielen.
Kretschmann: „Dadurch ist die Finanzierungsverpflichtung ungültig, das Land darf zukünftig keine Zahlungen leisten und kann die bereits gezahlten Mittel zurückfordern.“ Eine Klage der Fraktion der Grünen sei nicht möglich, so Kretschmann: „Eine Organklage wäre nur dann möglich, wenn die Rechte des Klägers – in diesem Fall also der Fraktion der Grünen – beeinträchtigt sind. dies ist aber nicht der Fall. Außerdem wären bei einer Organklage die Grünen laut Landesverfassung aufgrund ihrer Größe nicht klageberechtigt.“
Kretschmann, der auf die möglichen verfassungsrechtlichen Probleme schon vor Jahren hingewiesen habe, kündigte an, die Landesregierung mit einer parlamentarischen Initiative mit der Verfassungswidrigkeit der Finanzierungsvereinbarung zu konfrontieren. Ferner werde er das Gutachten den Projektträgern, der Bauherrin Deutsche Bahn, dem Deutschen Bundestag sowie dem Landes- und dem Bundesrechnungshof zukommen lassen. Kretschmann: „Die Bahn muss wissen: Die Zahlungen des Landes sind verfassungswidrig, der Finanzierungsvertrag nichtig. Falls die Grünen nach der Landtagswahl in Baden-Württemberg Regierungsverantwortung tragen, werden wir die Zahlungen sofort einstellen und bereits gezahlte Beträge zurückverlangen. Mit uns wird es keine Fortsetzung des Verfassungsbruchs geben.“
Die Einwände der Umwelt- und Verkehrsministerin Gönner wies Kretschmann zurück. Das – bislang unveröffentlichte – Gutachten der Landesregierung einer „in landesverfassungsrechtlichen Fragen anerkannten Anwaltskanzlei“ lag den Grünen und ihrem Gutachter vor. Es gehe im Übrigen nicht um die Landesverfassung, sondern um Art. 104a Abs. 1 des Grundgesetzes. Die im Zuge der Rheintalbahn notwendigen Lärmschutzmaßnahmen werden von den Grünen voll unterstützt; ob das Land diese mitfinanzieren darf, sollte die Landesregierung allerdings sorgfältig prüfen.