Ende Oktober 1961 unterzeichneten die Bundesrepublik Deutschland und die Türkei das Anwerbeabkommen zur Regelung der Anwerbung von Arbeitskräften. Unter anderem war darin eine maximale Aufenthaltsdauer von zwei Jahren für die Arbeitskräfte vorgesehen. Viele so genannte „Gastarbeiter“ blieben jedoch bekanntermaßen in Deutschland und fanden hier ihren neuen Lebensmittelpunkt. Heute ist Baden-Württemberg das deutsche Flächenland mit dem höchsten Anteil an Einwohnern mit Migrationshintergrund. Rund ein Viertel der hier lebenden Bevölkerung kann auf Wurzeln in einem anderen Land verweisen. Davon stammt ein großer Anteil aus der Türkei. Rund 282 000 Menschen in Baden-Württemberg haben einen türkischen Pass, auf unmittelbare türkische Wurzeln können etwa 430 000 Bürgerinnen und Bürger verweisen.
Anlässlich des 50-jährigen Jubiläums des Abkommens erklären Thekla Walker und Chris Kühn, Landesvorsitzende von Bündnis90/Die Grünen: „Unter der CDU-Regierung wurde das Thema Integration jahrzehntelang verschlafen. Deshalb bedarf es jetzt einer verstärkten Anstrengung, um die entstandenen Probleme gezielt anzugehen. Dass uns als grün-rote Regierung dieses Thema ein Anliegen ist, haben wir mit der Schaffung des Integrationsministeriums gezeigt. Jetzt müssen schnell konkrete Maßnahmen folgen.“
Ein großer Bereich in der Integrationspolitik ist das Thema Bildung, bei dem noch immer keine Chancengleichheit zwischen Kindern mit und ohne Migrationshintergrund herrscht. „Indem wir gezielt in die Sprachförderung investieren und das Projekt der Gemeinschaftsschulen vorantreiben, schlagen wir in Baden-Württemberg zum Thema Integration wichtige Pflöcke ein“, erklärt Thekla Walker. „Unsere Ziele sind dabei, den besonders hohen Anteil von Grundschülern mit Sprachförderbedarf zu senken und die Chancen auf einen guten Schulabschluss für Kinder mit und ohne Migrationshintergrund anzugleichen. Auf beiden Gebieten bestehen heute noch große Defizite“, so Walker.
„Statt der Verbreitung von Klischees und Vorurteilen brauchen wir Verständigung und Dialog“
Desweiteren gilt es aus grüner Sicht jedoch auch, strukturelle Diskriminierungen gegenüber Migrantinnen und Migranten abzubauen und eine Kultur des gegenseitigen Verstehens zu schaffen. „Die Abschaffung des Gesprächsleitfadens bei der Einbürgerung und eine Bundesratsinitiative zur doppelten Staatsangehörigkeit sind die ersten wichtigen grün-roten politischen Signale an die Migrantinnen und Migranten und Ausdruck eines neuen weltoffenen Baden-Württembergs. Polemik a la Sarrazin ist bei diesem Thema ein Irrweg. Statt der Verbreitung von Klischees und Vorurteilen brauchen wir Verständigung und Dialog!“, betont Chris Kühn.
„Den eingeschlagenen Weg müssen wir konsequent und zügig weitergehen, um 50 Jahre nach Unterzeichnung des Anwerbeabkommens endlich eine echte Kultur des Willkommenseins im Land zu schaffen, die auf Gleichberechtigung statt „Gästestatus“ setzt“, so Kühn und Walker abschließend.