Die Arbeitslosigkeit in Deutschland ist so niedrig wie lange nicht mehr. In bestimmten Regionen und Branchen gibt es Engpässe an Fachkräften. Besonders betroffen: Pflege, Klempnerei und Bau, zudem in Baden-Württemberg viele technische Berufe.
Von Eva Muszar für Grüne Blätter 3/2018: Ode an die Arbeit.
Die Konjunktur brummt, überall wird gebaut und energetisch saniert – gute Zeiten für Handwerker und die Baubranche. Einerseits. Andererseits: ein Teufelskreis, denn gerade Baufirmen und Betriebe der Sanitär- und Energietechnik haben Schwierigkeiten, die benötigten Fachkräfte einzustellen. Denn so gut wie alle haben eine Stelle.
Überall in Deutschland fehlen Pflegerinnen und Pfleger. Das belastet die Pflegekräfte gleichermaßen wie die Pflegebedürftigen. Lokführer? Werden händeringend gesucht. Bei der Bahn reicht häufig das Personal nicht, um nachts die Fernzüge zu rangieren. In der IT werden vor allem hochspezialisierte Expertinnen und Experten dringend gebraucht.
In Deutschland herrscht kein genereller Fachkräftemangel. Aber die regelmäßige Engpassanalyse der Agentur für Arbeit zeigt: In bestimmten Berufen und abhängig von der regionalen Wirtschaftsstruktur gibt es Engpässe oder gar einen Mangel. Dabei fällt auf, dass es gerade jene Branchen trifft, die wir dringend brauchen, um gesellschaftliche Megatrends zu gestalten: die Energiewende, umweltfreundliche Mobilität, den demografischen Wandel und die Digitalisierung.
Ohne Lokführer keine Verkehrswende
Diese Entwicklungen bergen Risiken und Chancen. Ohne Lokführer kann es nicht gelingen, den Bahnverkehr massiv auszubauen. Wir müssen die Zukunftsaussichten bestimmter Berufe stärker ins Bewusstsein rücken, damit sich mehr junge Menschen für sie entscheiden. Dazu müssen aber auch, wie zum Beispiel dringend in der Pflege, gute Arbeitsbedingungen geschaffen werden.
Langzeitarbeitslose und Menschen ohne Ausbildung brauchen Unterstützung, damit sie nicht weiter abgehängt werden. Aus- und Weiterbildung werden immer wichtiger – die Politik muss dies fördern. Geflüchtete, die hier arbeiten oder eine Ausbildung machen, brauchen ein Bleiberecht statt Angst vor Abschiebung. Sie arbeiten übrigens oft in kleinen Betrieben und Berufen, die Nachwuchs brauchen. Einwanderung auf den Arbeitsmarkt muss vereinfacht und gefördert werden – wie das funktionieren könnte, hat unser Integrationsminister Manne Lucha mit einem Vorschlag für ein Einwanderungsgesetz gezeigt.
Wie sich Angebot und Nachfrage nach Fachkräften langfristig entwickeln, lässt sich nicht genau vorhersagen. Neben konjunkturellen Schwankungen spielen Trends in der Ausbildung, Verdienstaussichten und Arbeitsbedingungen, aber auch die Globalisierung der Wirtschaft und politische Faktoren eine Rolle.
Ein Anlass, grundsätzlich darüber nachzudenken, wie wir in Zukunft arbeiten und wirtschaften wollen. Wenn wirtschaftsstarke Regionen Fachkräfte aus strukturschwachen Regionen oder Ländern anziehen, kann das auch Ungleichgewichte verstärken. Wir müssen also den Blick über den Tellerrand beibehalten und grundsätzlich überlegen, wie wir damit umgehen, wenn zeitweise die „Grenzen des Wachstums“ der Ressource Arbeit erreicht werden.
Ein Beitrag aus unserer Mitgliederzeitschrift zum Thema Arbeit: Grüne Blätter 3/2018: Ode an die Arbeit.