Bei eisigen Temperaturen marschierten rund 25.000 Demonstranten zum Bundeskanzleramt. Anlässlich der Grünen Woche, der weltweit größten Landwirtschaftsmesse, demonstrierten Bauern und Verbraucher gemeinsam dafür, nicht länger die Interessen der Industrie in den Mittelpunkt der Politik zu stellen. „Ich habe es satt, dass die öffentlichen Gelder für Agrarindustrie und internationale Investoren ausgegeben werden und nicht für bäuerliche Landwirtschaft“, kritisierte die Grünen-Fraktionschefin Renate Künast. „Die Politik muss auf Klasse statt Masse setzen und im Baugesetzbuch dafür sorgen, dass die Massen-Ställe keine Chance mehr haben“, sagte die Grünen-Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt.
„Ich habe es satt, dass die öffentlichen Gelder für Agrarindustrie und internationale Investoren ausgegeben werden und nicht für bäuerliche Landwirtschaft“
Gegen Industrialisierung der Landwirtschaft
Bereits im dritten Jahr in Folge zogen die Teilnehmer mit Transparenten und in teils phantasievollen Kostümen vom Berliner Hauptbahnhof durch das Regierungsviertel zum Bundeskanzleramt. 70 Traktoren aus dem ganzen Bundesgebiet begleiteten den Protest. Mit Sprechchören wie "Wer Bauern, Tiere, Bienen quält, der wird nicht gewählt!" bekundeten sie ihre Ablehnung der gegenwärtigen Tendenz zu einer immer stärkeren Industrialisierung der Landwirtschaft. Auch Fernsehköchin Sarah Wiener machte ihrem Ärger Luft: „So viel kann ich gar nicht gar nicht essen, wie ich kotzen möchte“, sagte sie. „Ich habe es satt, dass ich keine unverarbeiteten Lebensmittel mehr bekomme, dass die kleinbäuerliche Landwirtschaft zerstört wird, dass ich gegen Genfood kämpfen muss und dass Tiere in der Massentierhaltung so mies behandelt werden.“
25000
Demonstranten zogen vors KanzleramtKünast: „Moderne Kolonialpolitik“
Die kirchlichen Hilfswerke Brot für die Welt und Misereor kritisierten die negativen Auswirkungen der EU-Agrarpolitik auf die kleinbäuerlichen Strukturen in Entwicklungs- und Schwellenländern. Renate Künast erteilte Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) eine scharfe Absage: „Frau Aigner hat heute im Rahmen der Grünen Woche gesagt, wir müssten mehr Hilfe in die Entwicklungsländer geben, um den Armen zu helfen. Dabei weiß sie genau: Das viele Fleisch, was wir essen, produzieren wir auf Kosten der Ärmsten und der Hungernden.“ Das sei „moderne Kolonialpolitik“, so Künast.
Auf der Abschlusskundgebung forderte Hubert Weiger, der Vorsitzende des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND), neue Weichenstellungen in der Agrarpolitik. Auf der Internationalen Grünen Woche, die noch bis zum 27. Januar in Berlin stattfindet dürfe man sich nicht blenden lassen. „Hinter dem schönen Schein der Messestände verbirgt sich millionenfaches Tierleid“, sagte er.
Grüne fordern artgerechte Tierhaltung
Erst Anfang der Woche hatten wir Grüne per Parteiratsbeschluss tiefgreifende Reformen in der Tierhaltung gefordert:
- Mehr Platz, Bewegungsfreiheit und Auslauf
- Artgerechte Fütterung
- Konsequentes Verbot der Amputation von Körperteilen
- Eine tiergerechte Begrenzung von Zucht-, Mast- und Leistungszielen
- Eine Änderung des Bau- und Immissionsschutzrechts, um den Bau weiterer Mega-Ställe zu verhindern
- Das Reduzieren vom Medikamenten, insbesondere von Antibiotika, auf das aus Tierschutzgründen notwendige Minimum, um die Verbreitung multiresistenter Keime zu bekämpfen
„Wir brauchen eine artgerechte Tierhaltung, ein echtes Tierschutzgesetz und eine andere Fleischproduktion in Deutschland“, sagte Göring-Eckardt. Dazu gehöre auch ein geringerer Fleischkonsum – „und, dass das Fleisch nicht mehr derartig billig ist“, sagte die Grünen-Spitzenkandidatin. http://www.youtube.com/watch?v=0Ajff42Safg