Von Silke Krebs, Landesvorsitzende
Die Wachstumsfrage treibt die Grünen dieses Jahr um. Das zeigen zahlreiche Veranstaltungen – darunter unser Kongress „Wachstum – wovon leben wir?“ im vergangenen Juli. Was macht die Frage eigentlich so aktuell, war sie doch schon ein Gründungsimpuls unserer Partei? Bereits 1972 veröffentlichte der Club of Rome seine Studie „Grenzen des Wachstums“. Das Fazit damals: „Wenn die gegenwärtige Zunahme der Weltbevölkerung, der Industrialisierung, der Umweltverschmutzung, der Nahrungsmittelproduktion und der Ausbeutung von natürlichen Rohstoffen unverändert anhält, werden die absoluten Wachstumsgrenzen auf der Erde im Laufe der nächsten hundert Jahre erreicht.“ Im Kern gilt die Grundaussage bis heute. Eine aktuelle Fassung von Professor Miegel lautet: Wenn alle so leben würden wie die Mitteleuropäer, bräuchten wir die Ressourcen von drei Planeten Erde.
Die Frage ist also lange bekannt, aber die Finanz- und Wirtschaftskrise hat sie wieder ganz oben auf die politische Agenda gesetzt. Wobei wir schon bei einem der aktuellen Kerndispute wären: Sind wir denn noch in der Krise? Betrachtet man nur Konjunkturdaten, Auftragslagen und Arbeitsmarktzahlen, scheint sie überwunden. Doch gerade die Wachstumsfrage zeigt, dass das Grundproblem nicht gelöst wurde: Wie erzeugen wir die notwendige Wertschöpfung für unsere Bedürfnisse auf eine Art und Weise, die das auch noch in Zukunft möglich macht? So betrachtet sind wir mitten in einer sich zuspitzenden Krise, denn wesentliche Ressourcen werden knapp – Erdöl, einige Metalle, in vielen Gegenden Wasser und Nahrung. Zum Zurücklehnen ist wahrlich kein Anlass. Wollen wir die Zukunftsperspektive unserer Automobilindustrie wirklich dadurch sichern, dass wir jetzt China und Indien mit unseren CO2-Schleudern versorgen? Das kann nicht gut gehen.
Aber was sind die Antworten? Setzen wir auf Nullwachstum zumindest in den Industriestaaten oder auf den Öko-Technologieboom? Wie generiert der Staat die Einnahmen für seine Aufgaben ohne BIP-Wachstum? Hilft ein anderer Wachstumsindex weiter? Zwingen uns nicht allein die bestehenden Schulden der öffentlichen Hand zum Wachstumskurs?
Ohne Anspruch auf Vollständigkeit hier Einiges, was in die richtige Richtung weist:
- Eine differenzierte Wohlstandsmessung ergänzend zum BIP hilft die wirklichen Problemlagen und die erreichten Verbesserungen im Auge zu behalten – beim Ressourcenverbrauch, dem sozialen Gleichgewicht, der Konsolidierung der öffentlichen Finanzen.
- Wir müssen Öko- oder Ressourcensteuern ausbauen, um Staatseinnahmen vom Wachstumszwang zu entkoppeln.
- Wir brauchen eine positive Leitidee für einen ressourcenschonenden Lebensstil: Etwa knappe Dinge so einzuteilen, dass sie noch möglichst lange zur Verfügung stehen? Und Bedürfnisse durchdachter als bisher zu befriedigen? Kann es nicht auch Luxus sein, für jede Gelegenheit das passende Verkehrsmittel zur Verfügung zu haben statt einen dicken Brummer in der Garage? Oder alltags viel Gemüse und sonntags den Bio-Braten zu genießen? Damit die individuellen Fußabdrücke gestaltbarer und kleiner werden, braucht es zwei Rahmenbedingungen: Die Preise müssen die ökologische Wahrheit sagen und VerbraucherInnen brauchen transparente Produktinformationen.
- Und wir müssen wirklich eine Effizienzrevolution hinlegen, denn derzeit frisst allzu oft der höhere Gesamtverbrauch die erreichten Einsparungen auf – so wenn Autos zwar weniger CO2 ausstoßen, aber mehr unterwegs sind.
Für Grüne sind die Ideen schon ziemlich vertraut, sie müssen nun schleunigst Realität werden.