Beim Grünen-Landesparteitag am 6. und 7. Oktober in Konstanz nehmen die Grünen Baden-Württemberg Kurs auf die Kommunal- und Europawahl. Neben der Kommunalpolitischen Erklärung steht das Thema Wohnen im Mittelpunkt. Der Landesvorstand schlägt in seinem Leitantrag eine Wohnraumoffensive für bezahlbares, ökologisches und innovatives Bauen und Wohnen vor. Die Eckpunkte der Offensive stellten die Grünen-Landesvorsitzenden Sandra Detzer und Oliver Hildenbrand am Montag in Stuttgart vor.
„Das Thema Wohnen brennt derzeit vielen Menschen unter den Nägeln. Deshalb stellen wir Wohnen in den Mittelpunkt unseres Parteitages. Mit den zwölf Projekten unserer Wohnraumoffensive wollen wir Antworten geben, wie Wohnen in Baden-Württemberg bezahlbar, ökologisch und innovativ werden und bleiben kann. Wohnen ist ein Grundbedürfnis und damit wesentlich mehr als ein Dach über dem Kopf. Wohnen entscheidet über den sozialen Zusammenhalt“, erklärt Sandra Detzer, Landesvorsitzende der Grünen.
Der Landesvorsitzende Oliver Hildenbrand schließt an: „Ein zentraler Erfolg der grün-geführten Landesregierung ist die Wiederbelebung der Wohnraumförderung. Nach Jahren schwarz-gelben Siechtums ist sie heute bestens ausgestattet. Im Vergleich zu 2011 fließen heute fünf Mal mehr Mittel in das Wohnraumförderprogramm des Landes. Mit den weiteren Projekten unserer Wohnraumoffensive schmieden wir jetzt ein umfassendes Programm aus einem Guss.“
Zu den Kernprojekten der Wohnraumoffensive zählen unter anderem ein Bodenfonds Baden-Württemberg, eine Gründungs- und Stärkungsoffensive für kommunale und interkommunale Wohnungsbaugesellschaften, eine Landesoffensive zur Aufstockung von Gebäuden und die Einrichtung eines Kompetenzzentrums für Barrierefreiheit.
„Der zentrale Schlüssel für mehr sozialen Wohnungsbau sind die Kommunen und ihre gemeinnützigen Wohnbaugesellschaften. Die Wohnbaugesellschaften kennen die Bedarfe vor Ort, sind gemeinnützig und müssen nicht nur auf Rendite schielen. Sie sind in den Kommunen die optimalen Akteure, den sozialen Mietwohnraum in Baden-Württemberg zu mehren. Jahrzehntelang wurden sie zurückgefahren, ausgelagert oder verkauft. Jetzt ist ihre Zeit“, so Detzer. Bei der Bereitstellung von bezahlbarem, barrierefreiem Wohnraum könne man Marktversagen in Reinform beobachten. Besonders seit der Finanzkrise suchten Investoren Anlagemöglichkeiten, weshalb der hochpreisige Wohnungsbau boome. Menschen, die keine
16 Euro pro Quadratmeter für Miete bezahlen können, schauten in die Röhre. „Wir wollen die Kommunen und ihre gemeinnützigen Wohnbaugesellschaften durch einen Bodenfonds BW beim Kauf von Grundstücken unterstützen, ihnen beim Erwerb und der Aufstockung bestehender Wohngebäude helfen und den Neu- und Umbau für mehr Barrierefreiheit vorantreiben.“
Die Offensive liefert noch mehr Ideen: „Wir denken Wohnen vom Menschen her. Wohnen soll den Zusammenhalt der Gesellschaft fördern und darf nicht zu einer sozialen Spaltung führen. Neben dem Fokus auf den Ausbau des sozialen Wohnungsbaus geht es uns auch darum, den heutigen Lebenswirklichkeiten gerecht zu werden. Wir wollen für bezahlbaren Wohnraum für Studierende, Alleinerziehende, Ältere und Menschen mit Behinderung sorgen. Dazu soll die Landeswohnraumförderung angepasst und der Bau von Studierendenwohnheimen und betreuten Wohngemeinschaften sowie die Barrierefreiheit vorangetrieben werden“, erläutert Hildenbrand.
Ökologische und innovative Lösungen seien für die Grünen auch beim Bauen und Wohnen zentral, betont Detzer: „Ob wir die Klimakrise bewältigen, hängt auch damit zusammen, wie wir bauen, sanieren und Städte planen. Die Forschung für innovatives und ressourcensparendes Bauen wollen wir deshalb im Forschungsland Baden-Württemberg noch stärker fördern. Auch die Potenziale der Digitalisierung zum Sparen von Ressourcen und Kosten wollen wir heben.“
Der Leitantrag „Wohnen für alle in Baden-Württemberg: Bezahlbar – ökologisch – innovativ“ wird am Samstag beraten. Am Sonntag werfen die gut 200 Delegierten aus den Grünen-Kreisverbänden einen Blick auf die Kommunalwahlen im nächsten Jahr und beschließen unter dem Motto „Miteinander heute und morgen gestalten“ Leitlinien für grüne Kommunalpolitik 2019.
Alle Informationen zum Parteitag
Die Stuttgarter Zeitung berichtet über unsere Wohnraumoffensive (01.10.2018)
Die Kernpunkte der Wohnraumoffensive
- Projekt 1: Bodenfonds Baden-Württemberg einführenDer Bodenfonds, angesiedelt bei den kommunalen Landesverbänden, soll den Kommunen den Kauf von Flächen und Immobilien ermöglichen, damit sie gegen Immobilienkonzerne bestehen können. So stärken wir die Kommunen darin, gemeinwohlorientierte Liegenschaftspolitik mit sozialen und ökologischen Zielen zu betreiben. Derart erworbene Grundstücke sollen in der Regel in Erbpacht weitergegeben werden. Der Fonds soll mit Erbpachtzinsen oder Weiterverkauf refinanziert werden.
- Projekt 2: Landeswohnraumförderung weiter modernisieren. Das Landeswohnraumfördergesetz werden wir flexibler machen und damit heutigen Bedarfen anpassen, z.B. denen kleinerer Haushalte oder von Alleinerziehenden. Die Landes-Wohnraumförderung wird langfristig gut ausgestattet: Kein förderfähiges soziales Bauprojekt darf leer ausgehen. Neuen Genossenschaften werden wir eine Sicherung durch Landesbürgschaften ermöglichen.
- Projekt 3: Förderung neuer Wohnformen. Damit Menschen selbstbestimmt und so lange wie möglich im vertrauten Umfeld leben können, treiben wir den Ausbau von ambulant betreuten Wohngemeinschaften für Ältere, für Menschen mit Behinderungen sowie mit Unterstützungs- und Versorgungsbedarf weiter voran. Die Landes-Wohnraumförderung soll um diesen wichtigen Bereich ergänzt werden.
- Projekt 4: Landeskompetenzzentrum für bauliche Barrierefreiheit. Dieses soll Bauträger, Privatleute und die öffentliche Hand dabei unterstützen, Barrierefreiheit bei Einrichtungen, Gebäuden, Straßen, Plätzen und im öffentlichen Verkehr zu realisieren.
- Projekt 5: Offensive für Studierendenheime fortführen. Kein Studium darf an fehlendem oder teurem Wohnraum scheitern. Die von uns erarbeitete im Bundesvergleich hohe Wohnheimplatzquote wollen wir weiter steigern. Das entlastet auch die Wohnungsmärkte. Das Land unterstützt mit dem bewährten Zuschuss für den Wohnheimbau und der Flächen-Bereitstellung. Die Kommunen müssen sich stärker bei der schwierigen Standortsuche einbringen und Ermessensspielräumen bestmöglich nutzen. Auch Bundesmittel sollen für den Wohnheimbau eingesetzt werden. Wir lehnen den Vorschlag des Rechnungshofs ab, die Miete auf marktübliche Preise zu erhöhen.
- Projekt 6: Gründungsoffensive für kommunale Wohnungsbaugesellschaften. Wir wollen die Neugründung kommunaler und interkommunaler Wohnbauunternehmen fördern, z.B. über die Mitfinanzierung von Gutachten oder eine Beratungsstelle des Landes. (Inter-)Kommunale Wohnbauunternehmen wirken passgenau vor Ort, können regionale Interessen berücksichtigen und insbesondere in Ballungsräumen koordiniert planen. Mit dem Bodenfonds Baden-Württemberg und der Gründungsoffensive können wir unsere wohnungspolitischen Ziele schnell und passgenau erreichen.
- Projekt 7: Förderung von kommunalen Wohnungsbeauftragten. Diese leisten in einigen Kommunen Baden-Württembergs bereits hervorragende Arbeit bei der Aktivierung vorhandener Potenziale für bezahlbaren Wohnraum. Das Land soll die Kommunen bei der Etablierung von Wohnungsbeauftragten unterstützten.
- Projekt 8: Kampagne und Aktionstag „Akzeptanz für Wohnungsbau“. Die Notwendigkeit, die Ästhetik und die Zukunftsfähigkeit von sozialgebundenem und Geschoss-Wohnungsbau wollen wir mit einer Akzeptanz-Kampagne und einem landesweiten Aktionstag ins Bewusstsein rücken und gemeinsam mit den Bürger*innen vor Ort sinnvolle Bauprojekte diskutieren.
- Projekt 9: Digitalisierungsplattform für modulares Bauen und neue Baustoffe. Gemeinsam mit Partner*innen aus Wirtschaft, Wissenschaft und Architektenkammer wollen wir eine Digitalisierungsplattform auf den Weg bringen, um zum Vorreiterland bei der Nutzung digitaler Potenziale beim Bauen zu werden. Das bringt Kostensenkungen, Beschleunigung und Ressourceneffizienz. Schlüsselvorhaben sind dabei die digitale Baugenehmigung, das digitale Grundbuch und das Building Information Modeling (BIM). Dies ermöglicht softwaregestütztes Planen, Bauen und Bewirtschaften von Gebäuden und kann die Ökobilanz von Gebäuden deutlich verbessern. Daher wollen wir die Bauwirtschaft und die Architektenkammer bei der Weiterentwicklung des BIM unterstützen.
- Projekt 10: Landesoffensive zur Aufstockung von Gebäuden. In Baden-Württemberg könnten 267.000 Wohnungen durch Aufstockung bestehender Gebäude geschaffen werden. Dieses Potenzial wollen wir mit einer Landesoffensive heben. Wir wollen Dachausbauten und Aufstockungen in der Landesbauordnung und mit einem vereinfachten Baugenehmigungsverfahren erleichtern und ein Förderprogramm für Privatleute und kleine und mittlere Wohnungsunternehmen auflegen. In den Kommunen treiben wir den mehrgeschossigen Wohnungsbau voran, denn das schont die Haushalte und hilft beim Flächensparen.
- Projekt 11: Ausbildungsoffensive Bausektor. Die Kapazitätsengpässe im deutschen Bausektor sehen wir mit Sorge. Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, wollen wir eine Ausbildungsoffensive für Berufe im Bausektor starten und dazu Gespräche mit der Bauwirtschaft führen. Neben Alteingesessenen können hier Geflüchtete eine Zielgruppe sein, von denen viele gerne am Bau arbeiten würden.
- Projekt 12: Bauforschung stärken. Wie wir heute bauen, sanieren und unsere Städte planen, entscheidet maßgeblich darüber, ob es uns gelingt, die Klimakrise zu bewältigen und den sozialen Zusammenhalt in Zukunft zu sichern. Um die Forschung für innovatives und nachhaltiges Bauen und Planen im Land zu stärken, wollen wir praxisnahe Innovationspartnerschaften von Hochschulen, Zivilgesellschaft und Unternehmen fördern.