Unsere Welt ist nicht mehr die gleiche, wie vor ein paar Jahren. Das Internet und die modernen Informationstechnologien haben unseren Alltag, unsere Kommunikation, unsere Gesellschaft tiefgreifend verändert. Politik muss sich diesen Veränderungen stellen. Das gilt auch für Grüne Politik. Wir Grünen müssen deshalb unsere Grundwerte auf die neuen Rahmenbedingungen der digitalen Gesellschaft übertragen. Was verstehen wir unter Freiheit, Bürgerrechten und Datenschutz im Netz? Was bedeutet Gerechtigkeit und gesellschaftliche Teilhabe im Online-Zeitalter? Wie gehen wir richtig mit dem Internet als Kulturraum und als Arena von Wirtschafts- und Verbraucherinteressen um? Welche Chancen für die politische Beteiligung bietet das Web? Diese Fragen machen deutlich: Netzpolitik ist kein Spartenthema für Computernerds, sondern ein Querschnittsthema, das unterschiedliche Politikfelder betrifft und uns alle angeht.
Wir werden bei unserem Landesausschuss im Juni in Mannheim das Thema Netzpolitik intensiv diskutieren. Denn eines ist klar: Wir überlassen dieses Feld nicht der Piratenpartei, sondern machen unser eigenes netzpolitisches Profil deutlich. Uns geht es um die Freiheit im Netz und die Freiheit des Netzes. Wir sagen Nein zu Vorratsdatenspeicherung, Netzsperren, Online-Durchsuchungen und einer Verwässerung des Datenschutzes. Das Internet ist kein bürgerrechtsfreier Raum – und kein rechtsfreier Raum. Deshalb lehnen wir digitale Bevormundung, schärfere Gesetze oder Zensur im Netz ab. Stattdessen müssen die Behörden personell und technisch den veränderten Bedingungen angepasst werden, um Rechtsstaatlichkeit im Netz durchzusetzen.
Teilhabegerechtigkeit ist für uns Grüne ein Kernziel der Netzpolitik. Netzzugang ist eine Frage der Daseinsvorsorge: Niemand darf von der digitalen Welt ausgeschlossen werden. Deshalb muss die Netzinfrastruktur ausgebaut, Barrierefreiheit verwirklicht und die Netzneutralität gewährleistet werden. Baden-Württemberg darf beim Breitband den Anschluss nicht verpassen. Die Landespolitik muss sich stärker dem Thema Medienkompetenz zuwenden, damit die Menschen das Web auch mündig und selbstbestimmt nutzen.
Das Internet ist zugleich Wirtschafts- und Kulturraum. Uns Grünen geht es um den fairen Interessenausgleich zwischen Kulturschaffenden und NutzerInnen im Netz. Dafür brauchen wir eine zukunftsfähige Reform des Urheberrechts. Wir wenden uns entschieden gegen eine pauschale Kriminalisierung unlizensierter Nutzung von Netzinhalten als Piraterie. Klar ist auch: Der freie Zugang zu Wissen und kulturellen Werken darf nicht eingeschränkt werden.
Das Netz soll ein Ort der lebendigen Demokratie sein. Deshalb muss die digitale Bürgerbeteiligung ausgebaut werden. Es wird Zeit, dass auch der Landtag in Baden-Württemberg das Instrument der e-Petition einführt und dass für Bürger- und Volksbegehren Unterschriften im Netz gesammelt werden können.
Das Internet bietet viele neue Chancen für die Kommunikation zwischen Politik und BürgerInnen. Wir Südwest-Grünen wollen diese Chancen nutzen und sind deshalb im Netz präsenter als die anderen Parteien im Land: von unserer Website und unserem Blog bis hin zu den Aktivitäten bei Facebook, Twitter, YouTube oder Flickr. Auch bei der Erarbeitung unseres Landtagswahlprogramms setzen wir voll auf virtuelle Beteiligung: Wir wollen im Sommer mit Euch gemeinsam im Grünen Wurzelwerk lebhaft diskutieren und ein tolles Programm auf die Beine stellen.
Ich freue ich mich, viele von Euch bei unserem Landesauschuss in Mannheim zu treffen und mit Euch gemeinsam die Grüne Netzpolitik weiterzuentwickeln.
Chris Kühn ist Landesvorsitzender der baden-württembergischen Grünen.