Eine Gruppe junger Grüner aus mehreren Bundesländern fordert ein neues Männerbild. Chris Kühn, baden-württembergischer Landesvorsitzender der Öko-Partei und – wie der Mannheimer Bundestagsabgeordnete Gerhard Schick – Mitautor des Grünen Männer-Manifestes fordert: „Wir wollen nicht länger Machos sein müssen.“
Halten Sie Frauen die Türe auf?
Chris Kühn: Ja. Wobei es auch Frauen gibt, die mir die Türe aufhalten und die ich dann nicht wegstoße. Und ich halte auch Männern die Türe auf.
Sie wollen nicht länger Macho sein. Waren Sie bisher einer?
Kühn: Da geht es nicht um mich und die anderen Verfasser, sondern um das Rollenbild des Mannes. Das ist nicht mehr aktuell und verbaut zudem Chancen. Wir wollen anders an gesellschaftlichen Dingen teilhaben, zum Beispiel an der Kindererziehung.
Gehört aber ein wenig Machohaftigkeit nicht zum Spiel der Geschlechter?
Kühn: Ich glaube nicht. Der Macho spielt immer noch eine zu große Rolle. Wenn man sich anschaut, wie in den Medien oder auf Sportplätzen Männlichkeit inszeniert wird, dann ist das prägend für Jugendliche.
Also zurück zur selbstmitleidigen Männergruppe?
Kühn: Nein, es geht um eine gleichberechtigte Auseinandersetzung mit dem anderen Geschlecht, um die Teilung von Arbeitszeiten und Kindererziehung. Man sollte auch als Mann eine feminine Seite haben dürfen, ohne stigmatisiert zu werden.
Geraten Männer nicht gänzlich ins Hintertreffen, wenn sie ihre traditionellen Privilegien in Sachen Job und Bezahlung aufgeben?
Kühn: Wenn man sich die Vorstände der Dax-Unternehmen ansieht, merkt man, dass die Wirtschaftsmacht noch eindeutig in männlicher Hand liegt. Andererseits gibt es Bereiche, in denen Männer nicht die gleichen Chancen haben. Jungen haben mehr Probleme in der Schule. Auch da brauchen wir mehr Gleichberechtigung. Ebenso bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, bei der Erziehung, beim Erleben von Kindern. Die Frau bleibt zu Hause, der Mann geht arbeiten – das ist immer noch viel zu oft der Fall und muss aufgebrochen werden.
Karrierefrauen sind oft die härteren Kerle als ihre männlichen Kollegen.
Kühn: Oft nehmen Frauen männliche Rollenbilder an. Ob sie das freiwillig tun, ist die andere Sache.
Wie könnten sich die Rollenbilder ändern?
Kühn: Konkrete Ansatzpunkte sind, klassische Frauenberufe auch Männern zu öffnen. Es gibt zu wenig Erzieher an Kindergärten, zu wenig Lehrer an Grundschulen. Auch das Teilen der Elternzeit ist ein erster Schritt. In der Gesellschaft muss die Debatte geführt werden – in den Medien, in der Politik in den Schulen: Was ist heute männlich, was weiblich? Ein Mann kann heute auch weinen, darf mal niedergeschlagen sein, sich eine Auszeit für die Kinderbetreuung nehmen.
Wie sieht der grüne Mann des 21. Jahrhunderts aus?
Kühn: Er geht vertrauensvoll mit seiner Partnerin um. Er teilt in der Doppelspitze seine Macht. Er kann sowohl stark als auch schwach sein. Grünen-Vorzeigemänner wie Cem Özdemir und Boris Palmer machen vor, wie man sich Freiräume für seine Kinder schafft, obwohl man in großer Verantwortung steht. Ich finde, das muss zur Regel werden.
Sollte es jemals absolute Gleichberechtigung herrschen, wird es dann ein „typisch Mann“ oder „typisch Frau“ überhaupt noch geben?
Kühn: Wir können nur anstoßen, Rollenbilder zu verändern. Wir können sie nicht aufheben. In Sachen Hobbys, Kleidung oder wie man sein Leben lebt, bleiben Unterschiede.
Das Interview führte Joachim Rüeck
Quelle: Mannheimer Morgen