Von unten entwickeln statt von oben verordnen – das ist das Leitmotiv für eine neue Bildungspolitik, wie Grüne und SPD sie verwirklichen wollen. „Wir setzen auf eine engagierte Bürgerschaft, die ihre eigenen Impulse für eine gute Schule setzen wollen“, so die Spitzenkandidaten von Grünen und SPD Winfried Kretschmann und Nils Schmid. „Individuelle Förderung jedes einzelnen Kindes ist das Ziel, und die Schulform ist das Instrument. Wir schaffen den Raum, in dem innovative pädagogische Schulkonzepte entstehen und verwirklicht werden können“, so Winfried Kretschmann. „Wir stärken die Eigenverantwortung des Einzelnen ebenso wie die der ganzen Schulgemeinschaft.“
„Individuelle Förderung jedes einzelnen Kindes ist das Ziel“
„Entscheidend ist allerdings: Wir werden solche Schulen nicht gegen den Willen der Beteiligten von oben verordnen. Diese innovative Schulentwicklung wollen Grüne und SPD dort genehmigen, wo Gemeinden und Schulgemeinschaften es selbst mit einem eigenen anspruchsvollen pädagogischen Konzept beantragen. Wir diktieren nicht, sondern ermöglichen größere Handlungsspielräume“, so die beiden Spitzenkandidaten von SPD und Grünen.
In den letzten Jahren wurden über 60 Anträge auf Einführung innovativer und integrativer Schulentwicklungskonzepte gestellt. Das Kultusministerium hat diese Anträge abgelehnt. Grüne und SPD werden diese Blockade-Politik beenden und Anträge, die Kinder besser individuell fördern und sie länger gemeinsam lernen lassen, genehmigen.
1. Eine aktive Bürgerschaft will mitgestalten – innovative Schulkonzepte genehmigen
Überall im Land wollen Schulträger und engagierte Schulgemeinschaften ihre Schulen voran bringen und haben dafür gute Ideen entwickelt. „Unsere Gesellschaft kann von der Haltung: ‚Wir beteiligen uns aktiv an der Gestaltung des Gemeinwesens‘ nur profitieren. In der Schulpolitik herrscht leider bislang statt der Wertschätzung des Bürgerengagements ein Politikstil der Verordnung von oben vor“, so Winfried Kretschmann. Das wollen SPD und Grüne ändern, denn die Eltern, Schüler, Schulträger, Jugendhilfe, Kirchen, Unternehmen und weitere Akteure sind entscheidende Partner bei der „Schulentwicklung von unten“.
Für die Notwendigkeit für passgenaue Schulkonzepte sprechen drei Gründe: die pädagogischen Erfahrungen, die Schaffung gleicher Bildungschancen und die demografische Entwicklung: die Schule soll im Dorf bleiben.
„Das Schulsystem in unserem Land sortiert die Kinder nicht nach Begabung, sondern nach sozialer Herkunft“
Die Bildungschancen sind in Baden-Württemberg bislang sehr ungerecht verteilt. Nils Schmid: „Vom sozialen und familiären Hintergrund eines Kindes hängt es ab, welche Grundschulempfehlung erteilt wird. Hier zeigt sich, dass das Schulsystem in unserem Land die Kinder nicht nach Begabung, sondern nach sozialer Herkunft sortiert.“ Im Schuljahr 2010/11 sind 43,1 % der deutschen Grundschulkinder aufs Gymnasium übergewechselt, aber nur 22,3 % der ausländischen SchülerInnen. Beim Übergang auf die Hauptschule dagegen waren die Zahlenverhältnisse mit rund 49 % ausländischen SchülerInnen und 21,2 % deutschen SchülerInnen umgekehrt.
Um die Schulen für diese Herausforderung bestens auszurüsten, wollen SPD und Grüne an den Schulen ein Unterstützungssystem einrichten: Unterschiedliche Pädagogen unterstützen die Lehrkräfte an den Schulen. Mit ihrer fachlichen Kenntnis können diese Experten rechtzeitig eingreifen, bevor sich Probleme verfestigen.
In einer Gemeinschaftsschule für alle Kinder bis Klasse 10 sehen SPD und Grüne neben der Standortsicherung und mehr Chancengleichheit ein enormes Potenzial, um das Ziel der optimalen individuellen Entwicklung von Kindern zu erreichen, denn dort gibt es die größtmögliche Vielfalt an differenzierten Lernangeboten an einem Schulort und somit den meisten Raum für wirkliche individuelle Förderung. Gerade im ländlichen Raum bietet die Gemeinschaftsschule die Chance, leistungsfähige, vielfältige Bildungsangebote in der Fläche und wohnortnah zu erhalten. Gemeinschaftsschulen sind dabei keineswegs „beliebig“. Auch sie orientieren sich verpflichtend an den Bildungsplänen und Bildungsstandards, bleiben aber nicht auf eine Schulart verengt.
Die Schulentwicklung von unten ist dringend notwendig, weil durch die veränderten Übergänge nach Klasse 4 und den allgemeinen demografischen Schülerrückgang zahlreiche (Haupt-)schulstandorte vor allem im ländlichen Raum von Schließung bedroht sind. Auch die Einführung der Werkrealschule zum Schuljahr 2010/11 konnte diese Entwicklung nicht stoppen. Das bestätigt ein Schulentwicklungs-Gutachten von Tino Bargel (Universität Konstanz), das nachweist, dass bis zum Jahr 2020 landesweit nur noch ein Drittel der Kommunen einen weiterführenden Schulstandort hätten, wenn es beim dreigliedrigen Schulsystem bliebe, wohingegen bei der Einrichtung von Gemeinschaftsschulen gut zwei Drittel der Gemeinden in Baden-Württemberg Standort einer weiterführenden Schule (Sekundarstufe I) sein können. Nach Bargel können Gemeinden ab ca. 5.000 Einwohner Standort einer weiterführenden Schule sein bzw. bleiben.
2. Die gute Schule von morgen ist leistungsstark, wohnortnah, vielfältig, sozial ausgewogen und inklusiv – Potenzial der Ganztagsschule
Grüne und SPD stehen für ein ganzheitliches Bildungskonzept, das über reine Wissensvermittlung weit hinausgeht. Alle Schulen des Landes sollen die SchülerInnen darin stärken, ihre vielfältigen und individuellen Talente zu entfalten. Die gute Schule von morgen ist als Lern- und Lebensraum für Kinder und Jugendliche gestaltet. Das bedeutet, dass die Schule sich den SchülerInnen und ihrer Lern- und Lebenswelt anpassen muss, nicht umgekehrt. Das gilt sowohl räumlich als auch pädagogisch: Gutes Lehren und Lernen benötigt angemessenen Raum und angemessene Zeitressourcen. Sowohl die Halbtagsschule als auch die Schulbauförderrichtlinien werden diesen Anforderungen heute nicht mehr gerecht.
„Wir sehen es daher als zentrale Aufgabe an, das Ganztagsschulangebot deutlich auszuweiten, sodass jedes Kind und jeder Jugendliche wohnortnah ein anspruchsvolles Ganztagsschulangebot in Anspruch nehmen kann. Die Landesregierung hat es bis heute nicht geschafft, ihr selbstgestecktes Ziel zu erreichen, 40 % der Schulen im Land in Ganztagsschulen umzuwandeln“, sagten Kretschmann und Schmid.
Grüne und SPD wollen den Ausbau der Ganztagsschulen beschleunigen, aber die Finanzierungslast darf dabei nicht nur den Kommunen und Eltern aufgebürdet werden.
3. Basisberatung statt Basta-Politik – Für eine andere Schulbehörde und eine Bildungspolitik mit den Menschen statt gegen sie
Die Gemeinden, Lehrkräfte, SchülerInnen und Eltern kennen die Situation vor Ort und wissen sehr gut, was sie zur Stärkung ihrer jeweiligen Schule brauchen. Pädagogische Konzepte der individuellen Förderung, die vor Ort passgenau erarbeitet worden sind, sollen umgesetzt werden dürfen. Die Politik setzt Rahmenbedingungen, die für Verlässlichkeit, die Vergleichbarkeit von Leistungen sowie die Mobilität von Schülern notwendig sind und die Qualitätsstandards sichern. Innerhalb dieses Rahmens ist allerdings viel Platz für eigenständiges Gestalten.
Die Kultusverwaltung wird in diesem Prozess zur unterstützend-beratende Fachbehörde, statt wie bisher die Bestrebungen in Schulen und Kommunen abzublocken. Kretschmann und Schmid: „Mit Grünen und SPD sind die BürgerInnen, Schulträger und die Schulgemeinschaft Partner und Gestalter, nicht Untergebene, gegen die man bei Widerstand gegen die Basta-Politik von oben auch des Öfteren den Gerichtsweg beschreitet. SPD und Grüne stehen für eine Bildungspolitik mit den Menschen und nicht gegen sie.“
4. Wahlfreiheit stärken, Erziehungspartnerschaft umsetzen: Elternwahlrecht statt verbindliche Grundschulempfehlung
„Für uns sind die Eltern als Erziehungspartner auf Augenhöhe. Wir schaffen die verbindliche Grundschulempfehlung ab und führen im Anschluss an ein qualifiziertes Beratungsverfahren das echte Elternwahlrecht ein. Es darf nicht länger sein, dass es vom sozialen Hintergrund der Kinder abhängt, welche weiterführende Schule sie besuchen dürfen“, erläuterte Nils Schmid die Forderung von Grüne und SPD, die Elternrechte zu stärken. Kretschmann: „Wir orientieren uns an den Stärken und Potenzialen der Schülerinnen und Schüler und trauen den Eltern die richtige Wahl zu.“
Das Recht auf Elternwahl bezüglich der Schule gelte für alle Kinder. Ganz besonders wichtig sei daher das Elternwahlrecht für die Eltern behinderter Kinder. SPD und Grüne schaffen deshalb die Sonderschulpflicht ab und ermöglichen das Elternwahlrecht.
SPD und Grüne werden den Anspruch der Kinder, unabhängig von der gewählten Schulart umfassend sonderpädagogisch gefördert und unterstützt zu werden, im Schulgesetz verankern. Grüne und SPD lassen die Schulen, die dies leisten können und wollen, inklusiv arbeiten, und die entsprechenden Ressourcen für den Förderbedarf der Kinder folgen ihnen an die gewählte Schule. Alle Eltern sollen wohnortnah in jeder Schulstufe ein inklusives Angebot vorfinden. Inklusion gibt es dabei nicht zum Nulltarif – hohe Qualität braucht ausreichende Ressourcen. Schulen, die inklusiv arbeiten, bekommen mehr Lehrressourcen, und es gilt das 2-Pädagogen-Prinzip, wobei die Kompetenz der Sonderpädagogen ausdrücklich erforderlich ist. Grundsätzlich sollen sich alle Schulen für Inklusion öffnen – allgemeine Schulen wie auch Sonderschulen.
5. Entscheidungskompetenzen vor Ort stärken: Mehr Rechte für die Schulkonferenz auch bei Personalentscheidungen
Die Schulen brauchen auch in der Ausgestaltung der Schulgemeinschaft größere Freiräume als bisher. SPD und Grüne wollen die Schulkonferenz aufwerten. Denn Schulleitung, Lehrkräfte, Eltern und Schüler sind gleichberechtigte Partner in der Schule. Die Schulkonferenz soll mehr Entscheidungskompetenzen erhalten und sie muss neu zusammengesetzt werden. Grüne und SPD wollen auch das Verfahren zur Besetzung von Schulleitungsstellen neu gestalten. Ziel ist, der Schulkonferenz und dem Schulträger mehr Entscheidungskompetenz zu übertragen.