Überzeugt von zweieinhalb Jahren Grün-Rot in Baden-Württemberg und heiß auf einen Regierungswechsel im Bund: So zeigen sich die beiden Landesvorsitzenden Thekla Walker und Chris Kühn im Interview.
Chris und Thekla, ihr habt kürzlich gesagt, dies sei ein ganz besonderer Bundestagswahlkampf. Warum?
Chris: Wir alle sind hundertprozentig motiviert und heiß darauf, Schwarz-Gelb endlich auch auf Bundesebene abzulösen. Unsere Mitglieder sprühen vor guten Ideen, die sie im Wahlkampf umsetzen. Und die Themen in diesem Bundestagswahlkampf? Die haben doch wir Grünen gesetzt – ob es nun um ein gerechteres Steuersystem oder um nachhaltige Haushaltspolitik geht…
Thekla: …oder um Familienpolitik, die endlich die Kinder in den Mittelpunkt stellt. Grüne Familienpolitik wird sämtliche familienpolitischen Leistungen auf den Prüfstand stellen, die Schwarz-Gelb bisher in einem undurchsichtigen Gießkannensystem verteilt – in der irrigen Annahme, „unten wird schon was Gutes rauskommen“. Das Gegenteil ist der Fall: Deutschland gibt zwar mehr als andere Länder für Familien und Ehen aus – doch mit unterdurchschnittlichem Erfolg, wie erneut eine Studie bescheinigt hat. Wir werden die Leistungen endlich so organisieren, dass sie gezielt bei den Kindern ankommen – unabhängig davon übrigens, ob deren Eltern verheiratet sind oder nicht. Das heißt konkret: Mit uns Grünen fließt Geld Bildung und in Betreuung – und nicht ins Ehegattensplitting oder ins Betreuungsgeld.
„Bildung darf nicht vom Geldbeutel abhängen“
Wie sieht die Bilanz in Baden-Württemberg bezüglich Betreuung und Bildung aus?
Thekla: Wir konnten in zweieinhalb Jahren nicht aufholen, was CDU und FDP jahrzehntelang verhindert und verschlafen haben. Doch wir haben einen Pakt mit den Kommunen geschmiedet. Wir haben die Mittel für die Kleinkindbetreuung mehr als verdoppelt und den Städten und Gemeinden 345 Millionen Euro jährlich mehr zur Verfügung gestellt. In den neuen Gemeinschaftsschulen profitieren schon über 7500 Schülerinnen und Schüler von individueller Förderung und vom gemeinsamen Lernen. Für mehr Chancengerechtigkeit sorgen wir auch durch zusätzliche Ganztagsschulen und den Ausbau der Schulsozialarbeit. Die verbindliche Grundschulempfehlung haben wir abgeschafft, damit Kinder in der Grundschule stressfrei lernen und Eltern wieder mitreden können.
Chris: Bildung darf nicht vom Geldbeutel abhängen. Deshalb haben wir die Studiengebühren abgeschafft. Unsere baden-württembergischen Hochschulen bekommen diese Gelder ersetzt, um die Qualität der Lehre zu sichern. Und mit der Wiedereinführung der Verfassten Studierendenschaft kehrt die studentische Mitsprache an die Hochschulen zurück.
Die Grünen stehen für Toleranz und Weltoffenheit. Was hat Grün-Rot diesbezüglich erreicht?
Chris: Die Vielfalt der hier lebenden Menschen bietet unglaublich große Chancen. Wir erleichtern deshalb die Einbürgerung und haben den diskriminierenden Gesprächsleitfaden abgeschafft. Um die Situation von Flüchtlingen zu verbessern, haben wir unter anderem die Residenzpflicht aufgehoben. Dank Grün-Rot kann endlich auch die Lebenspartnerschaft auf dem Standesamt gefeiert werden und schwule oder lesbische Partnerschaften sind im Beamtenrecht gleichgestellt.
Mehr Bio aus Baden-Württemberg
Wie sieht es mit guter Arbeit und sozialer Gerechtigkeit aus?
Thekla: Ohne gerechte Löhne geht es nicht. Grün-Rot macht sich im Bund für einen gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro stark. Und bei uns im Land sorgen wir mit dem Tariftreuegesetz dafür, dass öffentliche Aufträge nur noch an Unternehmen vergeben werden, die soziale Standards einhalten und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fair bezahlen. Mehr Gerechtigkeit wollen wir auch für die Frauen im Land. Wir haben deshalb eine Initiative im Bund für „gleichen Lohn bei gleicher Arbeit“ angestoßen.
Die Grünen sind angetreten, um bei Verkehr, Klimaschutz und Energiewende in Baden- Württemberg neue Wege zu gehen. Was ist bisher passiert?
Chris: Wir haben die nachhaltige Mobilität gestärkt. Die Gelder wurden umverteilt zugunsten von E-Mobilität, ÖPNV und Radverkehr. Beim Straßenbau gibt es erstmals eine klare Prioritätenliste. Und der Erhalt der Straßen im Land geht vor utopischen Neubauten. Mit dem Ausbau der Rheintalbahn zum Beispiel haben wir die Weichen für einen zukunftsfähigen Schienenverkehr im Land gestellt. Klimaschutz hat in Baden-Württemberg jetzt Gesetzesrang. Bis 2020 werden wir 25 Prozent CO2 gegenüber 1990 einsparen. Wir haben beim Atomausstieg Bewegung in die Endlagersuche gebracht. Und mit der Änderung des Landesplanungsgesetzes und dem Windenergieerlass haben wir die Ampel auf Grün für die Windkraft gestellt.
Hat auch der Naturschutz durch Grün-Rot einen neuen Stellenwert erhalten?
Thekla: Auf jeden Fall. Wir haben den Naturschutz- Etat erhöht und erhalten unsere Landschaft durch das Grünland Umbruchverbot. Der „Nationalpark Schwarzwald“ ist auf einem guten Weg; die Bürgerinnen und Bürger können sich mit ihren Ideen und Wünschen einbringen. Wir helfen Landwirten beim Umstieg auf biologische Produktion und investieren mit „Bio aus Baden-Württemberg“ in Forschung und Vermarktung. Zur Verbesserung des Verbraucher- und Tierschutzes in Baden-Württemberg haben wir mehr Personal eingesetzt und fördern Alternativen zu Tierversuchen.
„Die Halbzeitbilanz kann sich sehen lassen.“
Baden-Württemberg ist also dank Grün-Rot in guter Verfassung?
Chris: Wir haben viel erreicht und viel bewegt, und wir werden noch viel mehr erreichen und bewegen. Ich finde, die Halbzeitbilanz unserer Landesregierung kann sich sehen lassen. Sie ist die beste Werbung für die Bundestagswahl. Grün macht‘s einfach besser!
Thekla: Beim Stichwort „Verfassung“ fällt mir noch ein: Wir kämpfen weiter für die Senkung der Hürden für Volksbegehren und Volksentscheide. Es liegt an der CDU im Land, sich endlich zu bewegen. Wir Grünen jedenfalls werden nicht nachlassen; wir wollen eine Reform der direkten Demokratie, die mehr Bürgerbeteiligung ermöglicht.