Am heutigen Donnerstag haben die Koalitionsverhandlungen zwischen den Grüne und der SPD begonnen. Im Interview mit der Stuttgarter Zeitung spricht der Landesvorsitzende der Grünen Chris Kühn über den künftigen Ministerpräsidenten, das Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 und den Erwartungsdruck, der auf der grün-roten Koalition lastet.
Herr Kühn am heutigen Donnerstag beginnen die Koalitionsverhandlungen zwischen den Grünen und der SPD. Welche Schwerpunkte will Ihre Partei setzen?
Ich möchte vorab nicht einzelne Themenkomplexe herausgreifen. Klar ist aber, dass wir als Grüne das ganze Land regieren wollen, und das wir alle Menschen, die hier leben, ansprechen und einbeziehen wollen. Deshalb wird es in den Koalitionsverhandlungen auch um alle wichtigen Themen gehen. Von der Wirtschaftspolitik, über die Energiepolitik bis zur Bildung.
Was wird sich denn mit den Grünen als Regierungspartei in Baden-Württemberg verändern?
Wir wollen einen echten Politikwechsel einleiten. Das heißt aber nicht, dass wir jetzt anfangen, radikal alles zu verändern. Der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder hat das einmal sehr treffend formuliert, er sagte: „Wir werden nicht alles anders machen, aber vieles besser.“ Im Bereich der Energiepolitik bedeutet das zum Beispiel, dass wir die erneuerbaren Energien massiv ausbauen und die Atomkraft zurückdrängen werden, generell geht es uns um eine gerechtere Chancenverteilung. Es kann nicht sein, dass es in einem reichen Land wie Baden-Württemberg derart viele Bildungsverlierer gibt. Im Bereich der Bildungspolitik gibt es viele Blockaden, die wir abbauen werden.
Von der schwarz-gelben Regierung unter Stefan Mappus waren zuletzt viele Menschen enttäuscht. Ist der Erwartungsdruck, der jetzt auf der neuen grün-roten Regierung lastet, nicht immens?
Wir sind uns der Verantwortung, die wir als Regierungspartei übernehmen, bewusst. Bei der Landtagswahl haben wir die politische Zustimmung vieler Menschen bekommen, jetzt geht es darum, auch die gesellschaftliche Akzeptanz zu erlangen. Die Erwartungen der Menschen an uns sind hoch und das ist für uns eine Herausforderung, aber sie motiviert uns auch sehr. Für Baden-Württemberg ist der Regierungswechsel ein Befreiungsschlag. In Zukunft werden die Menschen von der Politik mitgenommen und beteiligt.
Welche Fähigkeiten bringt Winfried Kretschmann für das Amt des Ministerpräsidenten mit?
Winfried Kretschmann hat einen klaren inneren Kompass, dem er bei politischen Entscheidungen folgt. Wichtige Fragen geht er sehr grundsätzlich an und orientiert sich dabei an einem klaren Wertesystem. Er hört den Menschen zu und nimmt sie ernst. Das sind Eigenschaften, die ich sehr an ihm schätze und die ihm als Ministerpräsidenten helfen werden.
Stefan Mappus hat ein Wahldebakel erlebt – haben Sie mit ihm Mitleid?
Ich habe mich im Wahlkampf nicht an Stefan Mappus abgearbeitet, mir ging es darum, deutlich zu machen, dass die Grünen die Grünen die besseren Konzepte für Baden-Württemberg hat als die CDU. Deshalb empfinde ich jetzt weder Schadenfreude noch Mitleid mit Stefan Mappus.
Ihre Wähler erwarten von Ihrer Partei, dass Stuttgart 21 gestoppt wird. Ihr Kollege Werner Wölfle hat gesagt, dass das Aktionsbündnis gegen das Bahnprojekt nach dem grünen Wahlsieg nun seine Aufgabe erledigt habe. Wie werden sich die Grünen zum Bündnis in Zukunft positionieren?
Das Aktionsbündnis hat Großartiges geleistet, ohne diese Bürgerbewegung wäre es erst gar nicht zu einem Regierungswechsel gekommen. Deshalb werden wir uns auch ernsthaft mit dem Bündnis auseinander setzen und es als Gesprächspartner weiterhin ernst nehmen.
Quelle: Stuttgarter Zeitung