Die Geschäfte der Deutschen Bahn im Ausland florieren, während das Staatsunternehmen hierzulande seine Fahrgäste aus dem Blick verliert. Es braucht einen Politikwechsel für die Zukunft auf den Schienen.
Von Matthias Gastel für Grüne Blätter 2/2017: Mobilität
Nur wenige Wochen nach Amtsantritt hat sich der neue Bahnchef Richard Lutz mit einer für die Verhältnisse der Deutschen Bahn geradezu revolutionären Ansage aus der Deckung gewagt: Bahnfahrten würden wohl in paar Jahren nur noch digital gebucht werden. Das Staatsunternehmen als Vorreiter der digitalen Möglichkeiten? Der Gedanke scheint nicht völlig abwegig, schaut man sich die Entwicklungen auf dem Mobilitätsmarkt an. Der Fernbusmarkt hätte ohne eine digitale Vertriebsplattform kaum diesen Durchmarsch hingelegt, auch das Taxigeschäft wird durch digitale Mitfahrplattformen wie Mytaxi und Uber heftig in Bewegung geraten. Bei all diesen Entwicklungen bleibt die Frage: Warum kommt die Bahn erst jetzt auf diese Idee?
Überlingen statt Übersee
Einen Teil der Antwort darf man durchaus beim Eigentümer suchen. Die schwarz-rote Bundesregierung als Vertreterin des Eigentümers der Deutschen Bahn hat es in den vergangenen vier Jahren nie geschafft, eine schlüssige Gesamtstrategie für den Verkehrssektor zu entwickeln. Bis heute ist unklar, welche Aufgabe die Schiene übernehmen soll. Dieses politisches Führungsversagen und Vakuum füllten Bahnchefs mit immer neuen Übernahmen im Ausland, ob mit Minenlogistik in Australien, Wasserbussen in Kopenhagen oder Weinlogistik in Übersee. Je besser die Geschäfte im Ausland liefen, desto weniger interessierte man sich für die Gleise daheim. Albstadt statt Australien, Kirchheim statt Kopenhagen und Überlingen statt Übersee: Die nächste Bundesregierung täte gut daran, endlich die Eisenbahn im Land zu stärken, die Pünktlichkeit zu verbessern, alle Pläne auf Ausbauten und Elektrifizierungen zu legen und bei all den Baustellen die Fahrgäste im Blick zu behalten.
Züge ins Zentrum
Was braucht es also? Es braucht eine Wachstumsstrategie für die Bahn, die das Netz in Schuss hält, gute Umstiege ermöglicht und den Trend vieler junger Menschen zum Leben ohne eigenes Auto wie auch die Entwicklung der Digitalisierung mit aufnimmt. Wir Grüne wollen sie entwickeln und schlagen so auch einen Mobilpass als einfach bedienbare Karte oder App vor, mit der die Fahrgäste alles machen können: Bahn fahren, Räder und Autos leihen, Busse und Taxis nutzen und bezahlen. Dafür braucht es aber eine Politik, die die Bahn ins Zentrum der Mobilitätskette rückt. Elan und neue Ideen – all das wird von Mautminister Dobrindt nicht kommen. Es lohnt sich also, bis zum 24. September für einen Politikwechsel im Verkehrsministerium zu streiten.
Ein Beitrag aus unserer Mitgliederzeitschrift zum Thema Mobilität: Grüne Blätter 2/2017: Wir wollen mehr erreichen