Was bis vor kurzem noch als unverrückbar galt, steht plötzlich im Zentrum der Diskussion: Grundrechte und demokratische Institutionen werden angezweifelt, Grundwerte unserer Demokratie hinterfragt.Deshalb beschäftigt sich der Landtag in einer Veranstaltungsreihe mit der Basis unseres Zusammenlebens – Grundgesetz und Landesverfassung. Landtagspräsidentin Muhterem Aras berichtet im Interview.
Muhterem Aras über Wertsachen in Grüne Blätter 2/2018: Gedanken & Spiele
Liebe Muhterem, worum geht es dir bei der Gesprächsreihe „Wertsachen“?
Muhterem: In Gesprächen mit Bürgerinnen und Bürgern nehme ich ein Bedürfnis wahr, sich über grundsätzlichen Fragen auszutauschen. Was verbindet uns, was trennt uns und wie gehen wir damit um? Das ist einerseits positiv – den Menschen ist eine funktionierende Gesellschaft ein Anliegen. Es zeigt aber auch Verunsicherung – was sind eigentlich Grundwerte, was eher Alltagsnormen? Und wie verschafft man Grundwerten allgemeine Geltung? Wir sind lange davon ausgegangen, dass alle Bürger*innen dazu ähnliche Vorstellungen haben. Das ist aber nicht der Fall. Deswegen brauchen wir Debatten – der Landtag bietet dafür ein Forum.
Was sind für dich Grundwerte?
Muhterem: Ich bin da Verfassungspatriotin. Würden alle die Werte des Grundgesetzes verinnerlichen, dann hätten wir eine streitbare, aber friedfertige Gesellschaft. Der Geist des Grundgesetzes ist der des gegenseitigen Respekts. Es ist auf Vielfalt angelegt. Auf seiner Basis sind die unterschiedlichsten Lebensmodelle möglich. Aber eben auf einem gemeinsamen Fundament: Offenheit, Gleichberechtigung, Gemeinsinn, Verantwortung, Freiheit, wehrhafte Demokratie. Und Toleranz in der ursprünglichen Definition. Nämlich den Mut aufzubringen, Unterschiede zu akzeptieren. So schaffen wir Zusammenhalt in Vielfalt. Das Grundgesetz bietet damit Heimat im besten Sinne. Für mich ist sie da, wo ich mit anderen die gleichen Werte teile. Das lässt sich aber nicht verordnen. Dafür braucht es das gesellschaftliche Gespräch.
Wie funktioniert das in der Praxis?
Muhterem: Wir wollen das Grundgesetz und seine Werte konkret erlebbar machen. Wir greifen uns einzelne Artikel heraus und diskutieren mit Podiumsgästen und dem Publikum, was sie mit unserem Alltag zu tun haben. Zu Artikel 3 – dem Verbot von Benachteiligung aufgrund von Herkunft, Geschlecht etc. – entstand so mit Vertreter*innen der zweiten Einwanderergeneration eine Debatte über Alltagsdiskriminierung. Zu Religions- und Pressefreiheit gab es viel kritisches Nachhaken. Das zeigt, dass bei den Veranstaltungen ein breites Meinungsspektrum da ist. Das sollten wir in unserer politischen Arbeit immer anstreben: Raus aus den eigenen Zirkeln. Das Thema Grundwerte ist dafür wie geschaffen.
Ein Beitrag aus unserer Mitgliederzeitschrift über grüne Perspektiven: Grüne Blätter 2/2018: Gedanken & Spiele