Der Landesvorstand der baden-württembergischen Grünen kann mehrheitlich das „Ja“ zum Asylrechtskompromiss aus Sicht der Landesregierung nachvollziehen, wiewohl es auch ablehnende Stimmen gibt. Gemeinsam lehnt er jedoch – wie Ministerpräsident Winfried Kretschmann – das Konzept der sogenannten sicheren Herkunftsländer grundsätzlich ab. Eine entsprechende Resolution wurde bei einer Sitzung am Freitagabend (19. September) einstimmig verabschiedet.
Die Landesvorsitzenden von Bündnis 90/Die Grünen, Thekla Walker und Oliver Hildenbrand, betonten: „Das Asylrecht ist ein individuelles Schutzrecht. Es braucht eine faire Prüfung des Einzelfalls und keine pauschalen Sicherheitsvermutungen. Eine Einstufung von Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina als sogenannte sichere Herkunftsstaaten löst keines der Probleme der deutschen Flüchtlingspolitik, da sind wir uns mit unserem Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann einig.“ Die Bundesregierung habe bewusst den Eindruck erweckt, hierdurch könnten Engpässe bei der Unterbringung in den Ländern und Kommunen aufgelöst werden. Es sei geradezu zynisch, wenn Union und SPD die Asylsuchenden aus den drei westlichen Balkanstaaten für die Situation in den Kommunen verantwortlich machten.
„Wir sehen die Bundesregierung und die Große Koalition in der Pflicht für weitere Verbesserungen für Flüchtlinge zu sorgen.“
In der Resolution bekennt sich der Grünen-Landesvorstand zu seiner humanitären Verantwortung gegenüber Schutzsuchenden. Walker und Hildenbrand: „Wir Grüne waren und bleiben Anwälte der Flüchtlinge.“ In diesem Sinne hätten die grün-mitregierten Länder mit der Bundesregierung verhandelt. „In diesen Verhandlungen konnten konkrete Verbesserungen für Flüchtlinge erreicht werden“, betonen die Grünen-Landeschefs. Das gelte mit Blick auf die Lockerungen der Residenzpflicht, auf den erleichterten Zugang zum Arbeitsmarkt und das Abschaffen des Sachleistungsprinzips. „Für diese und weitere Verbesserungen haben wir Grüne uns gemeinsam mit den Flüchtlingsverbänden immer stark gemacht. Die grün-rote Landesregierung hat sich im Lichte dieser Verbesserungen dafür entschieden, dem Gesetzesvorhaben im Bundesrat zuzustimmen“, erklären die Grünen-Landesvorsitzenden. Niemand habe sich diese Entscheidung leicht gemacht, denn in Verbindung mit dem Konzept der „Sicheren Herkunftsländer“ sei das eine schwierige Abwägung gewesen. „Wir sehen auch weiterhin die Bundesregierung und die Große Koalition in der Pflicht für weitere Verbesserungen für Flüchtlinge zu sorgen. Unser Einsatz für den Schutz und die Rechte von Flüchtlingen geht weiter“, so Walker und Hildenbrand.
Die Grünen wollen sich weiterhin einsetzen für:
- die Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes
- weitere Lockerungen beim Zugang zum Arbeitsmarkt
- verbesserte Sprach- und Integrationskurse
- eine höhere finanzielle Unterstützung von Ländern und Kommunen gerade bei Lösungen für Unterkünfte und Daseinsvorsorge
- Der Menschenrechtssituation der Roma in allen Ländern besondere Beachtung zu schenken und deren Lebenssituation durch nationale und europäische Initiativen endlich zu verbessern.
- Die Maßnahmen zu verwirklichen, die zuletzt von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes gemeinsam mit dem Verband der Deutschen Sinti und Roma vorgeschlagen wurden. Dazu zählen insbesondere das Einberufen eines Expertenkreises zum Antiziganismus im Deutschen Bundestag, ein jährlicher Antiziganismus-Bericht, Förderung und Forschung zum Antiziganismus und der Aufbau einer Bildungsakademie von Bund und Ländern.
Darüber hinaus betont der Landesvorstand, er sehe die Bundesregierung insbesondere auch auf europäischer Ebene in der Verantwortung, sich für eine Verbesserung der Flüchtlings- und Asylpolitik einzusetzen. Die Landesvorsitzenden Hildenbrand und Walker erklären weiter: „Wir Grüne werden es auch weiterhin nicht zulassen, dass unterschiedliche Flüchtlingsgruppen gegeneinander ausgespielt werden.“ Die baden-württembergische Landesregierung habe einen Staatsvertrag mit den Sinti und Roma geschlossen, der die einstimmige Zustimmung aller Parteien des Landtags gefunden hat. Mit Mitteln der Baden-Württemberg Stiftung werden Kinder der Minderheit in Rumänien unterstützt. In einem weiteren Projekt werden junge Leute, die noch keinen Schul- und Ausbildungsabschluss erworben haben, gefördert. Walker und Hildenbrand: „Wir werden auch weiterhin gemeinsam mit der Landesregierung die Bundesregierung unter Druck setzen, sich endlich der Realität zu stellen und dafür zu sorgen, dass sich die Lebensbedingungen aller Flüchtlinge in diesem Land dauerhaft und nachhaltig verbessern.“
»Resolution des Landesvorstands (PDF)
»Brief des Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (PDF)
»Interview mit dem Ministerpräsidenten auf Baden-Württemberg.de