Die baden-württembergischen Grünen haben sich bei ihrem Landesparteitag in Heilbronn für die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens ausgesprochen. Diese Entscheidung hat breite und kontroverse Reaktionen hervorgerufen. Dabei wurde manch wichtiger Punkt des differenzierten Konzeptes übersehen. Deshalb hier ein knapper Überblick über die Kernelemente des Beschlusses.
Wir Grünen stehen für eine Sozialpolitik, die jedem Menschen ein würdevolles Leben zugesteht. Und hier sehen wir bei den Regelungen rund um die Hartz-Gesetze deutliche Defizite. Der grüne Landesparteitag hat sich deshalb für einen neuen Aufbruch in der Sozialpolitik ausgesprochen: Durch den Umstieg vom derzeitigen System bedarfsgeprüfter Sozialleistungen auf ein bedingungsloses Grundeinkommen soll der immense bürokratische Aufwand für die Kontrolle von Anspruchsberechtigungen wegfallen. Außerdem sollen die Voraussetzungen für eine Sozialpolitik ohne Stigmatisierungen und ohne Sanktionsdrohungen gelegt werden.
Sockelgrundeinkommen
Das wirklich Neue am Grundeinkommen: Es steht allen Bürgerinnen und Bürgern zu – und nicht nur AntragstellerInnen und Bedürftigen. Erwachsene sollen ein Sockelgrundeinkommen von 420 Euro erhalten, Kinder von 300 Euro. Wer darüber hinaus noch auf Unterstützung vom Staat angewiesen ist, kann Wohngeld oder Sonderbedarfe etwa für Menschen mit Behinderung beantragen.
Betroffen wären davon aber weit weniger Menschen als heute. Denn der Zuverdienst zum Sockelgrundeinkommen lohnt sich ab dem ersten Euro. Die Menschen werden also keinesfalls aufhören zu arbeiten, sondern genau wie bisher ihren Lebensunterhalt auf dem Arbeitsmarkt verdienen. Das Modell stärkt vor allem ArbeitnehmerInnen mit geringen Löhnen oder solche, die nur in Teilzeit arbeiten. Für besser Verdienende wirkt das Sockelgrundeinkommen wie ein Steuerfreibetrag – es wird mit der zu leistenden Einkommensteuer nach dem Prinzip der negativen Einkommensteuer verrechnet.
Finanzierung
Finanziert werden soll das Grundeinkommens-Modell über einen Finanzierungsmix. Vorgesehen ist eine grundlegende Einkommensteuerreform. Dabei ist keine große nominale Erhöhung der Steuersätze notwendig. Stattdessen sollen die unzähligen Vergünstigungs- und Abschreibungsmöglichkeiten wie etwa das Ehegattensplitting abgeschafft und der „echte“ Steuersatz auch wirklich angewendet werden. Außerdem lassen sich nach Einführung des Grundeinkommens Transferleistungen wie das Arbeitslosengeld II oder das Kindergeld einsparen. Verknüpft werden kann die Finanzierung auch mit einer ausgeweiteten Energie- und Ressourcensteuer.
Bildung ins Zentrum
Dennoch wissen wir Grünen genau: Nicht alle Probleme lassen sich mit dem Grundeinkommen lösen. Als Bildungspartei sehen wir den Schlüssel für Teilhabe an Gesellschaft und Arbeit vor allem in Bildung und Ausbildung. Deshalb wollen wir die Bildungs-Infrastruktur ausbauen und verbessern. Das derzeitige selektive Schulsystem wollen wir in Richtung einer neun- bis zehnjährigen Basisschule umbauen. Die aktive Arbeitsmarktpolitik halten wir für notwendig und verbesserungsfähig, um jedem Arbeitssuchenden ein geeignetes Angebot machen zu können.
Freiheitlich und sozial
Das Sockelgrundeinkommen ist weder eine „Faultierprämie“ noch ein Bonus fürs Zuhausebleiben. Der Betrag ist weder unrealistisch hoch noch unmenschlich niedrig. Es ist weder ein sozialistisches noch ein marktradikales Projekt, sondern eine Verknüpfung von freiheitlichem mit sozialem Denken. Der grüne Beschluss fordert nichts anderes als eine Reform, die grundlegend, aber machbar ist – visionär, aber nicht utopisch.