Auf dem kleinen Parteitag (Länderrat) in den Berliner Uferstudios rüsteten sich Bündnis 90/Die Grünen für das Wahljahr 2013, um Schwarz-Gelb in Niedersachsen, Bayern, Hessen und im Bund abzulösen. Neben Anträgen zu den inhaltlichen Schwerpunkten Energiewende und demokratische Sicherheitarchitektur wurde ein Verfahren zur Findung eines Spitzenduos für den Bundestagswahlkampf 2013 beschlossen.
Zu Beginn des Länderrats holte Claudia Roth in der politischen Rede für den Bundesvorstand zum Rundumschlag gegen die schwarz-gelbe Bundesregierung aus. Während die FDP mit dem Kampf für ungezügeltes Wirtschaftswachstum und gegen das EEG „die Speerspitze der mobbenden Unvernunft“ bilde, sei die CSU mit ihren europafeindlichen Äußerungen nur noch auf der Suche nach der Hoheit über den bayerischen Stammtisch.
Gleichzeitig sperre sich die CDU gegen die rechtliche Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Paare und die Einführung der Quote, blockiere die versprochene Energiewende und wolle die Aufnahme syrischer Flüchtlinge auf Menschen mit christlichem Glauben beschränken.“Wer nur Christen aufnehmen will, hat von christlicher Nächstenliebe nichts begriffen“. Bündnis 90/Die Grünen seien dagegen die Alternative in Form und Inhalt. „Wir Grüne zeigen, wie es wirklich geht – in Stuttgart, Mainz, Düsseldorf, Bremen und Kiel. Und bald auch in Hannover, München und Berlin.“ Die große Aufgabe für 2013 sei deshalb, Schwarz-Gelb mit einer rot-grünen Reformregierung abzulösen.
In seiner Rede zur Einbringung des Antrags „Die grüne Energiewende ist machbar und notwendig – Klimaschutz vorantreiben“ machte Cem Özdemir klar, dass die Bundesregierung nicht nur Klima und Umwelt, sondern auch der Wirtschaft schade. „Rainer Brüderle soll den Unternehmen mal erklären, dass sie die Produktion von Turbinen und Speichertechnologien jetzt wieder stoppen sollen“. Der FDP-Fraktionsvorsitzende fordert einen Ausbaustopp bei den Erneuerbaren Energien.
Außerdem widersprach Özdemir der Behauptung, die EEG-Umlage sei der Grund für steigende Strompreise. Diese resultierten viel mehr aus der massiven Ausdehnung der Ausnahmeregelungen für Großunternehmen und der Einführung der Marktprämie durch Schwarz-Gelb, die gemeinsam Kosten von vier bis fünf Mrd. Euro verursachten.
Weiterentwicklung demokratischer Prozesse
Bundestagsfraktionsvorsitzender Jürgen Trittin kritisierte in seiner Rede das schwarz-gelbe Hin und Her. „Die 180-Grad-Wende ist zum Markenzeichen von Angela Merkel und der Bundesregierung geworden“. Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckard warf der Bundesregierung vor, sie wolle auf dem Rücken der Verbraucherinnen und Verbraucher die Energiewende zurückdrehen. „Das machen wir nich mit“.
Bundestagsfraktionsvorsitzende Renate Künast konzentrierte sich hingegen auf das Thema Biokraftstoffe und verlangte von Entwicklungshilfeminister Niebel die Maxime „Food first, also Lebensmittel vor Treibstoff und Futtermittel“. Der Antrag des Bundesvorstands wurde mit großer Mehrheit angenommen.
Es enwickelte sich eine rege Debatte über die Aufarbeitung der Verfehlungen im Fall der Neonazi-Morde durch die Terrorzelle Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) und die Zukunft des Verfassungsschutzes.
Der parlamentarische Geschäftsführer der grünen Bundestagsfraktion, Volker Beck, regte einen Reformvorschlag für den Verfassungsschutz bis zur Bundestagswahl an. „Wir müssen einen neuen Sicherheitsapparat schaffen“, so Beck. Karl Bär, Bundessprecher der Grünen Jugend, forderte hingegen die Abschaffung des Verfassungsschutzes.
„Gesinnungsschnüffelei und Geheimniskrämerei haben keinen Platz in der Demokratie“, so Bär. Am Ende wurde der Antrag des Bundesvorstandes mit großer Mehrheit angenommen, der eine gründliche Prüfung und Auswertung der Versäumnisse in den Verfassungsschutzämtern durch Untersuchungsausschüsse und eine weitergehende Debatte über die Kosten und Nutzen des Verfassungsschutzapparates fordert.
Letzter Punkt auf der Tagesordnung war die Einleitung einer Urwahl zur Findung eines Spitzen-Duos für die Bundestagswahl 2013. Danach kann jedes Mitglied entscheiden, welche beiden Personen – davon mindestens eine Frau – die Grünen in den Wahlkampf führen werden. „Mit der Urwahl leisten wir einen Beitrag zur Weiterentwicklung demokratischer Prozesse in unserem Land“, sagte die politische Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke bei der Antragseinbringung. Der Länderrat stimmte dem Antrag mit breiter Mehrheit zu (PDF).
An der Urwahl können alle teilnehmen, die bis zum 10. September als Mitglied von Bündnis 90/Die Grünen aufgenommen werden. Für dieses Datum legen die Regularien den Stichtag zur Feststellung der stimmberechtigten Mitglieder fest. Das Ergebnis der Urwahl wird Anfang November vorliegen.