Der Landesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen Baden-Württemberg, Oliver Hildenbrand, hat anlässlich der aktuellen Lage in Afghanistan ein Positionspapier veröffentlicht:
„Die Situation in Afghanistan ist dramatisch: Die menschenverachtenden Taliban haben die Macht übernommen und viele Menschen müssen um ihr Leben fürchten. Es muss jetzt darum gehen, dass wir möglichst viele Menschen retten. Dafür müssen wir sowohl im Bund als auch im Land unseren Beitrag leisten. Jetzt ist die Zeit für entschlossenes Handeln – für Menschlichkeit und Verantwortung!“
- Der Bund muss die Evakuierung der deutschen Staatsbürger*innen sowie der Ortskräfte und ihrer Angehörigen entschlossen umsetzen – möglichst schnell und unbürokratisch. Es darf dabei keinen Unterschied machen, ob die Personen direkte Verträge mit deutschen Stellen bzw. der internationalen Gemeinschaft hatten, oder ob sie via Sub-Unternehmen bzw. über Werkverträge für diese tätig waren. Die Taliban interessiert die Vertragsform nicht. Entscheidend ist, dass wir denen helfen, die uns geholfen haben.
- Auch unsere afghanischen Verbündeten, die zwar nicht im Rahmen von Tätigkeiten für staatliche Stellen, aber auf andere Weise für ein freiheitliches Leben in Afghanistan eingetreten sind, dürfen wir jetzt nicht im Stich lassen. Dabei denken wir beispielsweise an Journalist*innen, Menschenrechtsaktivist*innen und andere progressive Kräfte der Zivilgesellschaft. Wir appellieren an den Bund, dass er den Personenkreis für die Evakuierungsaktionen großzügig auslegt und auch diesen Menschen und ihre Angehörigen Schutz bietet.
- Wir begrüßen, dass sich die Innenminister*innen der Länder gemeinsam mit dem Bundesinnenminister zur Aufnahme von Ortskräften und anderen besonders gefährdeten Personengruppen aus Afghanistan bekannt haben. Baden-Württemberg hat bereits die klare Zusage gemacht, dass sich das Land selbstverständlich an der Aufnahme von aus Afghanistan geretteten Menschen beteiligen wird. Dabei denken wir auch an die Afghan*innen, die jetzt vor den Taliban in Anrainerstaaten geflohen sind. Es steht für uns außer Frage, dass diese Zusage auch bedeutet, dass wir nötigenfalls über die Aufnahmequote gemäß Königsteiner Schlüssel hinausgehen werden.
- Wir sind überzeugt, dass Baden-Württemberg noch mehr tun kann. Die Hilfsbereitschaft ist groß und die Aufnahmebereitschaft ist da. Bereits 2013 haben fast alle Bundesländer ergänzend zum damaligen Aufnahmeprogramm des Bundes, Länderaufnahmeprogramme aufgelegt und damit Familienzusammenführungen ermöglicht. Wir begrüßen, dass Schleswig-Holstein diesen Weg erneut einschlagen will und wollen diesem guten Beispiel folgen: Mit einem eigenen Landesaufnahmeprogramm für Menschen aus Afghanistan wollen wir getrennte Familien zusammenbringen. Es soll insbesondere über Anträge von in Baden-Württemberg lebenden afghanischen Angehörigen umgesetzt werden. Uns erreichen zahlreiche Anfragen von verzweifelten Menschen, deren Familienangehörige sich in Afghanistan in größter Gefahr befinden oder die vor dieser Gefahr in Anrainerstaaten geflohen sind. Es ist für uns ein Gebot der Humanität, dass wir diesen Familien hier bei uns eine Perspektive für ein gemeinsames Leben in Sicherheit und Freiheit eröffnen.
- Es ist unfassbar zynisch, dass bis vor wenigen Tagen noch Debatten über Abschiebungen nach Afghanistan geführt worden sind. Wir haben den Bund wiederholt dazu aufgefordert, den offensichtlich veralteten Lagebericht zu aktualisieren und bis dahin keine Sammelabschiebungen nach Afghanistan mehr zu organisieren. Aber erst in der vergangenen Woche wurden Abschiebungen nach Afghanistan faktisch ausgesetzt. Wir erwarten vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, dass es nun seine Entscheidungspraxis sofort ändert. Wir halten es außerdem für geboten, dass Baden-Württemberg durch die Anordnung eines formalen Abschiebestopps unterstreicht, dass wir die verheerende Lage in diesem von Krieg und Terror geplagten Land ernst nehmen.
Wer in Afghanistan für ein offenes, freiheitliches Leben eingetreten ist, den dürfen wir jetzt nicht im Stich lassen. Das schließt Mitarbeiter*innen von Subunternehmern, Hilfsorganisationen, Frauenrechtsorganisationen und Journalist*innen ein! Und dafür gehen wir auf die Straße! Finden Sie hier eine Demonstration in Ihrer Gegend